»Von der Zone M hörte ich das erste Mal 1992 auf dem russischen Militärflugplatz Altes Lager bei Jüterbog. Der Testpilot, Kosmonautenanwärter, Schamane und Philosoph Ravil Chadejew, dessen Lebensgeschichte in dem Film Lange nach der Schlacht (Forum 199b) eine Rolle spielt, erwähnte dieses Gebiet in seinen Erzählungen über unerklärliche Flugobjekte, die er mehrmals in seiner Pilotenlaufbahn gesichtet hatte. Die Geschichte geriet in Vergessenheit, Ravil kehrte mit der Sowjetarmee nach Rußland zurück, wir trafen uns in Südrußland wieder und hatten gemeinsam vor, eine Expedition nach Kamtschatka zu unternehmen. Doch in jenem Jahr waren dort ziemlich heftige Erdbeben, und so trampten wir durch den Ural. Ravil war in einer tartarischen Familie im mittleren Ural geboren, wo seine Mutter noch lebte, kannte sich also ein wenig aus. Wir fuhren die Kama, einen riesigen Fluß, der in die Wolga mündet, auf- und abwärts, hielten uns in der verbotenen Stadt Wodkinsk (dort wurde die SS 20-Rakete gebaut) auf, und als wir in Perm mit einem Kriminalkommissar zusammentrafen, der sich erbot, uns nach Moljobka zu fahren, besorgten wir uns kurzerhand ein paar Decken, kauften Brot, Käse, Gurken und Knoblauch und machten uns auf den Weg. Nach einer Tagesreise erreichten wir gegen Abend den Ort Moljobka, wo alle Wege enden, denn jenseits des Flusses Sylva beginnt die Zone M. In Perm hatten wir den Namen Batschurins erfahren, des Stalkers, der mehrfach über die Zone publiziert hatte, doch wir trafen ihn nicht an. Die Leute im Dorf zeigten sich abweisend, wir suchten den Fährmann auf, um uns über den Fluß bringen zu lassen. Für zwei Flaschen Wodka setzte er uns über. Der Kommissar hatte vorsorglich seine Dienstwaffe bei sich, und so drangen wir, ohne genau den ›heißen‹ Ort zu kennen, mit der einsetzenden Dämmerung in die Zone vor. Das Beeindruckendste war die Totenstille, die uns umfing, gegen halb drei Uhr nachts tauchte für wenige Sekunden ein helles Objekt am gänzlich schwarzen Himmel auf. Wieder im Dorf zurück, fanden wir Batschurin vor, der gerade Pilze säuberte. Wir führten ein erstes Gespräch, in dem er mit einem halbirren Auflachen erklärte, Moljobka wäre sein Punkt auf der Ekliptik. Er ließ eine Reihe astrophysischer Begriffe und Erklärungen auf uns niederprasseln, während der Hocker, auf dem er saß, überhaupt das einzige Möbelstück im ganzen Haus, zusammenbrach. Der Mann begann mich zu interessieren. Im Jahr darauf, 1997, reiste ich erneut nach Moljobka, jetzt schon fest mit dem Vorsatz, dort einen Film zu drehen. Bald merkte ich, daß die Leute im Dorf keine Erklärungen für unerklärliche Vorgänge suchen. Sie suchen nach Möglichkeiten, überleben zu können. Für sie war mit dem Zusammenbruch des Sowjetsystems der letzte Halt geschwunden, sie standen selbst in ihrer kleinen Dorfgemeinschaft vor einem Chaos. Seitdem öffentlich über eine Reihe von UFO-Landungen in Rußland berichtet wurde, geriet auch die Zone M in die Schlagzeilen als das Bermudadreieck des Urals. M steht sicher für Moljobka, kann aber auch Abbild der Flußwindungen der Sylva sein, die genau dort, wo die ZONE sich befindet, ein M beschreibt. Batschurin und seine Jünger propagierten heftig die Landungen von UFOs. Es gab wieder etwas, woran man glauben konnte. (In einem russischen Dokumentartfilm von 1992, den ich hier im Archiv fand, zieht sein Ufologen-Freund Ippolit Nowikow, früher Parteifunktionär und Gewerkschaftsarbeiter, wie Jesus mit erhobenen Armen durch die Millionenstadt Perm, hinter sich die Schar seiner Junger, und ruft die kosmische Vernunft um Hilfe an). Der Ort Moljobka, zu dem lediglich eine Schotterstraße führt - die Eisenbahnlinie (die Transsib, die in Wladiwostok endet) ist vierzig Kilometer entfernt, eine Busverbindung gibt es nicht, zur nächsten Ortschaft sind es dreißig Kilometer - liegt am ›Ende der Welt‹, und wirklich steht dort an der Dorfstraße, die abrupt in einen zerklüfteten Fahrweg übergeht, ein Schild: ›Km 0‹. Den Grenzpfahl ›Europa-Asien‹ kann man vom Zug aus sehen, wenn man von Perm nach Jekaterinenburg, dem ehemaligen Swerdlowsk, reist. Aber diese Stadt liegt schon jenseits des Urals, etwa dreihundert Kilometer entfernt von Moljobka. Nach europäischem Maß liegt das Dorf etwa auf der Höhe von Oslo, doch das Kontinentalklima bewirkt, daß im August die Regenzeit einsetzt, die im September langsam in den Winter übergeht, der bis April, Mai anhält. In diesem Jahr, als wir endlich mit den Dreharbeiten beginnen konnten, gab es im )uni noch Nachtfröste. In den vergangenen Jahren drang die Kunde von den merkwürdigen Erscheinungen bei dem Dorf Moljobka sogar bis in die rund zweitausend Kilometer entfernte Hauptstadt Moskau, aus der sich Marina Popowitsch, eine berühmte Testpilotin und mittlerweile eifrige Propagandistin von UFO-Landungen in Rußland, dorthin auf den Weg machte. Ihr folgten eine Vielzahl von Leuten nach, aus Amerika, aus Japan und natürlich aus Rußland selbst. Die Leute im Dorf ließ das weitgehend unbeeindruckt.«