Die Abenteuer des
Prinzen Achmed
»Alles an diesem Film ist bewunderungswürdig.«
Süddeutsche Zeitung
»Alles an diesem Film ist bewunderungswürdig … Lotte Reiniger fand und erfand für diesen ersten abendfüllenden Trickfilm der Filmgeschichte 1926 mit ihren Scherenschnittfiguren, den von Luft und Licht durchdrungenen Landschaftsprospekten und filigranen Interieurs genau jene Bilderwelt, in der alles Märchenhafte so leibhaftig erscheint, als sei es nichts als pure, von keinem klebrigen Wahrscheinlichkeitskitsch gestörte Wirklichkeit. Aus der genialen Kombination mehrerer Märchen aus 1001 Nacht entsteht ein eigenes, nur in dieser Gestalt existierendes Märchen — über dem ganzen, einer Art Feenspiel gleichenden Film liegt die Macht reiner Poesie. Daher gehört auch die Musik von Wolfgang Zeller zur ewig frischen Wirkung dieses verzaubernden Meisterwerks, weil Reiniger, die auch Filme zu Mozarts Musik machte, wusste, dass ihre Schöpfung aus lauter Schatten gleichsam ex negativo jener Definition entspricht, mit der der große französische Kinopionier Abel Gance Film beschrieb: ›Musik aus Licht‹.«
Süddeutsche Zeitung, 2011
Stab
[Produktion] Comenius-Film G.m.b.H., Berlin, Deutschland 1923-1926
[Regie, Drehbuch, Silhouetten und Animation] Lotte Reiniger nach Motiven aus Tausendundeine Nacht
[Mitarbeit] Walther Ruttmann, Berthold Bartosch, Alexander Kardanv
[Kamera und technische Leitung] Carl Koch
[Musik] Wolfgang Zeller (Originalkomposition für Orchester)
[Länge] 66 Min.
s/w viragiert
deutsche Zwischentitel
Fakten – zur Information
[Erste Vorführungen]
Matinee am 2.5.1926 in der Volksbühne am Bülowplatz, Berlin
Erste öffentliche Vorführung in Paris im Juli 1926 in der Comédie des Champs-Elysées (durch Vermittlung von Jean Renoir)
Deutsche Erstaufführung am 3.9.1926 im Gloria-Palast, Berlin
[Zensur]
15.1.1926 unter dem Titel DIE ABENTEUER DES PRINZEN ACHMED, Prüf-Nr. 12172, 5 Akte, 1.811 m
DIE ABENTEUER DES PRINZEN ACHMED zählt laut einer Umfrage des Kinemathekenverbundes (1995) zu den 100 wichtigsten deutschen Filmen und wurde von der internationalen Online Film Critics Society 2003 als einziger deutscher Film unter die »100 besten programmfüllenden Trickfilme aller Zeiten« gewählt.
[Produktion] Comenius-Film G.m.b.H., Berlin, Deutschland 1923-1926
[Regie, Drehbuch, Silhouetten und Animation] Lotte Reiniger nach Motiven aus Tausendundeine Nacht
[Mitarbeit] Walther Ruttmann, Berthold Bartosch, Alexander Kardanv
[Kamera und technische Leitung] Carl Koch
[Musik] Wolfgang Zeller (Originalkomposition für Orchester)
[Länge] 66 Min.
s/w viragiert
deutsche Zwischentitel
[Erste Vorführungen]
Matinee am 2.5.1926 in der Volksbühne am Bülowplatz, Berlin
Erste öffentliche Vorführung in Paris im Juli 1926 in der Comédie des Champs-Elysées (durch Vermittlung von Jean Renoir)
Deutsche Erstaufführung am 3.9.1926 im Gloria-Palast, Berlin
[Zensur]
15.1.1926 unter dem Titel DIE ABENTEUER DES PRINZEN ACHMED, Prüf-Nr. 12172, 5 Akte, 1.811 m
DIE ABENTEUER DES PRINZEN ACHMED zählt laut einer Umfrage des Kinemathekenverbundes (1995) zu den 100 wichtigsten deutschen Filmen und wurde von der internationalen Online Film Critics Society 2003 als einziger deutscher Film unter die »100 besten programmfüllenden Trickfilme aller Zeiten« gewählt.
Mit dem Silhouettenfilm DIE ABENTEUER DES PRINZEN ACHMED gestaltete Lotte Reiniger von 1923 bis 1926 – also noch zehn Jahre vor Disneys erstem Langfilm SCHNEEWITTCHEN (1937) – den ersten langen Trickfilm der Filmgeschichte und entwickelte Technik sowie Ästhetik dieses Genres bereits in den zwanziger Jahren zur künstlerischen Perfektion.
Lotte Reiniger, geboren am 21. Juni 1899 in Berlin, beschäftigt sich schon als Schülerin mit Silhouetten und Schattentheater. Besuche mit ihrem Vater in den Ateliers der Berliner Kunstakademie wecken ihr Interesse an den optischen Künsten. Beeindruckt von den frühen Filmen Paul Wegeners (DER GOLEM, 1920), will sie Schauspielerin werden und besucht die Max-Reinhardt-Schule am Deutschen Theater Berlin. Ein Vortrag von Paul Wegener über die fantastischen Möglichkeiten des Trickfilms ist ein Erlebnis, das Lotte Reinigers Lebensweg prägen wird. Wegener gibt ihr erste Filmaufträge: das Anfertigen von Zwischentiteln, zum Beispiel für seinen Film RÜBEZAHLS HOCHZEIT (1916). Ein eigens vom Filmtechniker Kucharski gefertigter Tricktisch und das im Jahr 1907 in Amerika erfundene Verfahren, mit der Kamera Einzelbilder aufzunehmen, wurden fortan ihre Arbeitsmittel. Durch Paul Wegeners Vermittlung lernt sie Hans Cürlis, den Leiter des Berliner Instituts für Kulturforschung, eines von jungen Künstlern und Wissenschaftlern eröffneten Ateliers für experimentelle Animationsfilme, kennen. Bereits 1919 macht sie dort ihren ersten eigenen Film, DAS ORNAMENT DES VERLIEBTEN HERZENS, gefolgt von weiteren Produktionen, wie z. B. ihrer ersten Märchenverfilmung ASCHENPUTTEL (1922). Für Julius Pinschewer fertigt sie mehrere Werbefilme, u. a. wirbt ihr Titel DAS GEHEIMNIS DER MARQUISE für Nivea-Creme (1922).
Im Institut lernt sie auch Carl Koch kennen, sie heiraten 1921 und arbeiten fortan eng zusammen: Ihre spielerische Fantasie findet im theoretisch geschulten, perfekten Techniker die ideale Ergänzung, und er fungiert bei ihren meisten Filmen als Aufnahmeleiter. 1922 gehen beide als Lehrer an eine »Arbeitsschule«, eine kleine Privatschule, »in der der Lehrstoff von den Kindern selbst erarbeitet wurde« – ein Modell, das der Berliner Bankier Louis Hagen im Garten seines Potsdamer Hauses für seine fünf Kinder und zehn Nachbarskinder eingerichtet hatte. Außer diesem pädagogischen Versuch finanziert Louis Hagen für die Hauslehrerin, deren Talent er bewundert und fördern will, ein kleines Studio in der Nähe, wo der Tricktisch gebaut wird, auf dem in dreijähriger Arbeit der Silhouettenfilm DIE ABENTEUER DES PRINZEN ACHMED entsteht. Mitarbeiter sind neben ihrem Mann Carl Koch der Pionier des Montagefilms Walther Ruttmann (BERLIN. DIE SINFONIE DER GROSSSTADT) sowie Berthold Bartosch, Alexander Kardan und Walter Türck.
Mit Anbruch der Tonfilmära kann Lotte Reiniger ihrer Leidenschaft für die Musik mit kurzen, prägnanten Filmen nach bekannten Opernmotiven wie CARMEN und PAPAGENO Ausdruck geben. In den zwanziger und Anfang der dreißiger Jahre entstehen am Tricktisch insgesamt 26 Filme. Erhalten geblieben sind Kopien von ASCHENPUTTEL (1922), DER SCHEINTOTE CHINESE (1928), DOKTOR DOLITTLE UND SEINE TIERE (1928), ZEHN MINUTEN MOZART (1930), CARMEN (1933), DER GRAF VON CARABAS und DAS GESTOHLENE HERZ (1934) sowie PAPAGENO (1935), eine Kurzfassung der »Zauberflöte«.
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten will Lotte Reiniger nicht mehr in Deutschland bleiben, »weil mir diese Hitler-Veranstaltung nicht passte und weil ich sehr viele jüdische Freunde hatte, die ich nun nicht mehr Freunde nennen durfte.« Im Dezember 1935 reist sie zusammen mit ihrem Mann Carl Koch nach London und arbeitet dort für die General Post Office Film Unit, während ihr Mann nach Paris, später nach Rom geht und für Jean Renoir tätig ist. Mit Kriegsbeginn folgt Lotte Reiniger ihrem Ehemann nach Rom, wo sie gemeinsam bis 1943 an Filmproduktionen arbeiten. Weihnachten 1943 schließlich kehren sie nach Berlin zurück, zu Lotte Reinigers kranker Mutter. In diesen schwierigen Zeiten gestaltet sie DIE GOLDENE GANS und verwandelt damit auf der Glasplatte des Tricktisches ihre Existenzsorgen in eine lebenslustige Posse. 1948 schließlich siedelt das Ehepaar Reiniger-Koch nach London über, ist dort u. a. für die Crown Film Unit des Central Office of Information tätig, ein Sammelbecken namhafter Avantgardefilmer, und bezieht eine Wohnung im Abbey Arts Centre, einer Künstlersiedlung nördlich von London.
In London trifft Lotte Reiniger auch Louis Hagen jun. wieder, der seinerzeit als Kind die Entstehung der Abenteuer des Prinzen Achmed begleitet hatte. Er gründet die Primrose Film Production, und Lotte Reiniger beginnt 1953 mit einer umfangreichen Produktion von jeweils zehnminütigen Märchenfilmen, u. a. SCHNEEWEISSCHEN UND ROSENROT, DER FROSCHKÖNIG, DORNRÖSCHEN, KALIF STORCH, DÄUMELINCHEN, HÄNSEL UND GRETEL, DER HEUSCHRECK UND DIE AMEISE. Für die Märchenadaption DAS TAPFERE SCHNEIDERLEIN erhält sie den Preis »Silver Dolfin« für den besten Kurzfilm bei der Biennale Venedig 1955.
Als Carl Koch im Jahre 1963 stirbt, ist das auch ein Einschnitt in die filmkünstlerische Arbeit Lotte Reinigers.
In Deutschland ist Lotte Reiniger mittlerweile fast vergessen. Erst Anfang 1970 kommt sie auf Einladung des Kommunalen Kinos Frankfurt am Main (Walter Schobert) und des damaligen Arbeitszentrums Jugend Film Fernsehen München (Hans Strobel) zum ersten Mal offiziell seit ihrer Emigration nach Deutschland, wo sie ihre Filme und ihre Kunst in der ihr eigenen humorvoll-lakonischen Weise vorstellt. Es kommt zur Wiederentdeckung ihres Filmschaffens in der Bundesrepublik und zu späten Ehrungen: 1972 erhält die Künstlerin das Filmband in Gold und 1979, zu ihrem 80. Geburtstag, das Bundesverdienstkreuz.
Neben ihren Filmproduktionen ist Lotte Reiniger, vor allem in den späteren Jahren, in der Tradition des Schattenspiels engagiert, gestaltet Theaterproduktionen und Illustrationen für Bücher. Sie unternimmt bis ins hohe Alter immer wieder Vortrags- und Workshop-Reisen, nach Italien und Frankreich, in die Türkei, durch die USA und Kanada, oft begleitet von Louis Hagen jun., dem Sohn des Berliner Bankiers, der DIE ABENTEUER DES PRINZEN ACHMED finanziert hatte. Sie begeistert Erwachsene wie Kinder, Lehrer und Filmstudenten – verkörpert sie doch auch mehr als ein halbes Jahrhundert lebendiger Filmgeschichte. In Kanada entstehen noch zwei Silhouettenfilme: für das National Film Board of Canada AUCASSIN AND NICOLETTE sowie 1979 als letzter großer Farbfilm THE ROSE AND THE RING. Ihr letztes Lebensjahr verbringt Lotte Reiniger in Dettenhausen bei Tübingen, wo sie 82-jährig am 19. Juni 1981 stirbt. Ihr umfangreicher Nachlass befindet sich im Stadtmuseum Tübingen, ein Teil der Silhouetten, Fotos, Skizzen und Notizen kann dort in einer Dauerausstellung besichtigt werden.
Lotte Reinigers Gesamtwerk umfasst mehr als 50 Silhouettenfilme, von denen noch ca. 40 verfügbar sind. Ein Teil ihrer Filme ist verschollen. lm Laufe ihres künstlerischen Lebens erlangte Lotte Reiniger einzigartige Fertigkeiten, die in dieser Form keine Nachfolge fanden. Sie schnitt aus der freien Hand, was in ihrer Fantasie entstand, Blumen, Tiere, Märchen- und Fabelwesen. Scherenschnitt und Silhouette wurden zu ihren selbstverständlichen künstlerischen Ausdrucksmitteln: »Meine Hände gehen schon so lange mit der Schere um, dass sie von ganz allein wissen, was sie tun müssen.«
»Bis zuletzt reiste die große und immer jung gebliebene Dame des Films um die Welt, hielt Vorträge und Seminare über ihre Arbeit ab, eröffnete Ausstellungen ihres Lebenswerkes und arbeitete an neuen Filmen. Unruhe und Naivität waren ihre Motoren, und die Tatsache, selbst ein Stück Filmgeschichte geworden zu sein, nahm sie mit erstaunter Ungläubigkeit zur Kenntnis.« (Cinegraph-Filmprogramm Nr. 4, DIE ABENTEUER DES PRINZEN ACHMED, Filmmuseum Potsdam)
»Der Geist des Märchens in der filmischen Bilderfolge ist aufs Glücklichste neu geboren.«
Vorwärts, 9.5.1926
Die Abenteuer des Prinzen Achmed
DIE ABENTEUER DES PRINZEN ACHMED, der als erster abendfüllender Trickfilm in die Filmgeschichte einging, entstand in den Jahren 1923 bis 1926 in einem kleinen Atelier in Potsdam; Lotte Reiniger erinnert sich an die Vorgeschichte dieses kühnen Filmprojekts: »Seit Jahrhunderten hatte der Prinz Achmed mit seinem Zauberpferd als Märchenfigur in den Geschichten von Tausendundeiner Nacht ein behagliches Dasein geführt und war beliebt, glücklich und zufrieden. Aus diesem Frieden wurde er eines Tages aufgeschreckt, als eine Filmgesellschaft auf die Idee kam, seine und viele weitere Abenteuer aus derselben Quelle zu einem Trickfilm zu verwenden. Zu diesem Zwecke musste er, wie viele seiner unglücklichen Schicksalsgenossen aus anderen literarischen Gebieten, ›umgeboren‹ werden. Denn es sollte ein Silhouettenfilm werden, weil der Hersteller, der von dieser Idee besessen war, nämlich ich, nichts anderes konnte als Silhouettenfilme machen. … Prinz Achmed selber musste zunächst körperlich erfunden, gezeichnet, geschnitten, beweglich gemacht, beleuchtet, bewegt und aufgenommen werden.«
Erzählt wird von Achmed, Sohn des großen Kalifen und Bruder von Prinzessin Dinarsade. Am Geburtstag des Kalifen erscheint ein Fremder und stellt sein Wunderwerk vor: ein Pferd, das durch die Lüfte fliegen kann. Der Kalif begehrt dieses Zauberpferd, der Zauberer aber fordert als Gegengabe die schöne Kalifentochter Dinarsade. Das erzürnt ihren Bruder, zugleich möchte er das fliegende Pferd einmal ausprobieren. So beginnt Prinz Achmeds abenteuerliche Reise. Auf einer Insel verliebt er sich in die schöne Pari Banu, die jedoch bald von dem rachsüchtigen Zauberer entführt wird. Achmed aber gibt nicht auf und findet schließlich in der Hexe vom Flammenberg eine Verbündete, die es in einem spektakulären Kampf mit dem bösen Zauberer aufnimmt.
In den Jahren 1923 bis 1926 entstanden etwa 250.000 Einzelbilder auf einem Tricktisch, davon wurden fast 96.000 für den Film verwendet. Lotte Reiniger schnitt ihre erst vorgezeichneten Figuren aus schwarzem Fotokarton mit einer Schere aus und verband die einzelnen Glieder mit Draht, um sie für die Aufnahmen zu animieren. Als Hintergründe verwendete sie transparente Lagen aus Butterbrotpapier. Ebenfalls mit der Schere gestaltete sie kunstvolle Landschaften, Städte oder orientalische Interieurs.
Die Uraufführung des Stummfilms fand am 2. Mai 1926 in der Berliner Volksbühne am Bülowplatz statt, dazu erklang die sinfonische Orchestermusik des Filmkomponisten Wolfgang Zeller, die er in Korrespondenz mit Lotte Reiniger parallel zum Film geschrieben hatte und die heute noch verfügbar ist – siehe Beitrag »Film – Musik – Magie / Die Fassung für Kammerensemble« von Jens Schubbe.
Für die Lebendigkeit des Prinzen Achmed und die Faszination seiner Abenteuer spricht auch, dass er junge Filmmusiker zu immer neuen musikalischen Live-Begleitungen inspiriert, und es ist überraschend, wie modern Reinigers PRINZ ACHMED wirkt, wenn Live-Elektronik und E-Zither (Gebrüder Teichmann & Leopold Hurt) eine hinreißende Soundcollage zu den »Actionszenen« wie dem Kampf der Magier und der Dämonenschlacht erzeugen.
Christel Strobel
»Lotte Reiniger benutzt die ideale Technik: … Die bewegliche Silhouette hält mit Charme ganz die richtige Grenze zwischen Kunstprodukt und Leben; man glaubt ihr genug, um gefesselt zu werden, und man glaubt ihr nicht genug, um bei dem Erlebnis des Übernatürlichen eine Gänsehaut zu kriegen.«
Das Deutsche Filmmuseum Frankfurt am Main, das die größte Sammlung von Lotte-Reiniger-Filmen besitzt, ehrte die Künstlerin zum 100. Geburtstag im Jahre 1999 mit der Restaurierung ihres bekanntesten Films DIE ABENTEUER DES PRINZEN ACHMED.
[Restaurierung:] Deutsches Filmmuseum Frankfurt am Main, 1998/99
[Mit Unterstützung von:] BFI / National Film and Television Archive, Hessisches Ministerium für Wissenschaft und Kunst, Primrose Productions, ZDF/Arte
[Kopierarbeiten:] L’Immagine Ritrovata, Bologna
[Zwischentitel:] Trickstudio Wilk, Berlin
[Erstaufführung der restaurierten Fassung:] Kino im Deutschen Filmmuseum Frankfurt am Main, 2. Juni 1999
[Klavierbegleitung:] Frank Strobel und Pierre Oser
Zur Restaurierung
Vom PRINZEN ACHMED ist keine deutsche Originalfassung und kein (Kamera-)Negativ erhalten. Das älteste bekannte Material befindet sich im National Film and Television Archive (NFTVA) des British Film Institute: ein viragiertes Nitrozellulose-Positiv auf Agfa-Film mit eingeschnittenen englischen Zwischentiteln auf Kodak- und Pathé-Material der Jahre 1925 bis 1927.
Es handelt sich um keine Vorführkopie, eher eine Grundlage zum Ziehen weiterer Kopien mit eingefügten handschriftlichen Angaben zur Einfärbung auf Blankfilm. Zur Sicherung dieses vermutlich aus der ersten Generation (also vom Kamera-Negativ) stammenden Positivs fertigte das NFTVA drei Dup-Negative an (1949, 1955 und 1969). Alle Sicherungsstücke liegen in Schwarz-Weiß vor und weisen zum Teil unterschiedliche Längen auf. Die schwarz-weißen Dup-Sicherungsnegative fanden als Ausgangsmaterial bei allen späteren Kopierarbeiten Verwendung, z. B. für die 16mm-Fassung von 1989.
Erstmalig bei diesem Restaurierungsprojekt wurde die viragierte Nitro-Kopie als Ausgangsmaterial verwendet. Bei einer Sichtung im National Film and TV Archive, Berkhamsted erwies sich das viragierte Nitro-Positiv als optimale Grundlage einer neuen Restaurierung: Der technische Zustand der Kopie ist gut, die Perforation weitgehend unbeschädigt. Lediglich leichte Stockflecken und durch das früher übliche Polieren entstandene Kratzer sowie dadurch in die Emulsion des Filmmaterials eingedrungene Schmutzpartikel sind als irreversible Schäden festzustellen. Die Farben Amber, Red, Blue, Green, Yellow und eine weitere für die Eröffnungstitel, Straw, präsentieren sich in einem hervorragenden Zustand. Für die Restaurierung existierte kein Farbplan, an dem die Festlegung der Farbigkeit in den einzelnen Sequenzen abzulesen wäre. Erst mit den wiederentdeckten handschriftlichen Angaben auf dem Nitro-Print konnte die Einfärbung in einer der Originalkopie entsprechenden Weise erfolgen. Für die Zwischentitel wurde die vorliegende Zensurkarte aus dem Bundesarchiv-Filmarchiv Berlin verwendet. Die bisherigen Kopien wiesen keine Originaltitel in deutscher Sprache auf, sondern hatten aus der englischen Fassung rückübersetzte Titel. Die neu restaurierte Fassung folgt der Zensurkarte vom 15. Januar 1926 in den Titeltafeln und allen 124 Zwischentiteln. Die vom Trickstudio Wilk, Berlin neu hergestellten Zwischentitel orientieren sich im Schriftbild und dem Ornament des Hintergrundes an der englischen Nitro-Kopie. Die Einfärbung der Titeltafeln wurde ebenfalls von diesem Material übernommen. Zwischentitel, die in der englischen Fassung nicht vorhanden waren, aber auf der Zensurkarte zu finden sind, wurden ergänzt, aber nicht gefärbt.
Ebenfalls an der Zensurkarte orientiert sich die Akteinteilung. Als Glücksfall erwies sich, dass die vollständige Partitur mit der Komposition von Wolfgang Zeller in der Library of Congress, Washington erhalten ist und damit zu den wenigen überlieferten Originalkompositionen der Stummfilmzeit gehört. Die darin eingeklebten Szenenbilder bestätigten die Akt- und Szenenfolge.
Die Gesamtlänge der Restaurierung beträgt 1.770 m. Die Kopierarbeiten führte das Kopierwerk L’Immagine Ritrovata in Bologna aus. Nach dem Desmet-Verfahren sind über ein Schwarz-Weiß-Dup-Negativ, in das die neuen Zwischentitel eingeschnitten wurden, die viragierten 35mm-Vorführkopien gezogen worden.
Michael Schurig, Thomas Worschech
»Charme und Grazie, Zartheit und Anmut, Witz und Verspieltheit: Es sind viele Worte, mit denen Lotte Reinigers Scherenschnitte zu beschreiben wären. Poesie und Weiblichkeit könnte man nennen. Heiterkeit auch und Humor. Phantasie natürlich. Vor allem aber: Zauber, Zauber – das ist das Zauberwort. Es wird viel gezaubert …«
Prof. Walter Schobert
Die Digitalisierung
Um den PRINZEN ACHMED in der restaurierten Fassung auch in digitalisierten Kinos verfügbar zu halten, wurde der Film im Jahr 2013 in der Auflösung 2k digitalisiert. Die digitalen Daten wurden entsprechend an die restaurierte Fassung angepasst und davon die digitalen Verleihkopien (DCP und Blu-ray) hergestellt.
[Digitalisierung:] Deutsches Filminstitut-DIF, Frankfurt am Main, 2013
Mit Unterstützung des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien
[Digitales Mastering:] Omnimago, Ingelheim
»Das eigentlich Bemerkenswerte, Beglückende an diesem Film ist jedoch die Technik, mit der seine Bilder entstanden sind, und die exquisite Perfektion, mit der sie umgesetzt wurden… Reiniger hatte 1919 im Alter von 20 Jahren damit begonnen, kleine Filme zu machen (Das Ornament des verliebten Herzens war ihr Erstling), an diesem Langfilm arbeitete sie ab 1923 mit einem kleinen Stab von nur 4 Mitarbeitern… Es gibt für das Animationskino vielleicht keinen wichtigeren Film als diese erstaunliche Arbeit einer 26 Jahre alten Frau.«
Zu den Musiken
Die Originalmusik zu DIE ABENTEUER DES PRINZ ACHMED
Für ihren kunstvollen Scherenschnittfilm beauftragte Lotte Reiniger den Komponisten Wolfgang Zeller (1893–1967), eine sinfonische Filmmusik zu schreiben. Auf der DVD findet sich die Originalmusik in der fabelhaft-leichten Kammermusikbearbeitung von Jens Schubbe, eingespielt vom MDR-Sinfonieorchester unter der Leitung von Frank Strobel. Die Musik von Wolfgang Zeller mit freundlicher Genehmigung des Musikverlages Ries & Erler, Berlin.
Als zweiter Soundtrack findet sich eine Livevertonung der Gebrüder Teichmann und Leopold Hurt. Als dritter Soundtrack ist die kammermusikalische Quintettfassung von I SALONISTI enthalten.
Zu den verschiedenen Musiken
Als erster abendfüllender Animationsfilm ist PRINZ ACHMED in die Filmgeschichte eingegangen. Freilich sollte man das Augenmerk nicht nur auf die technischen Innovationen legen, die in der Tat höchst beachtlich sind. Mindestens ebenso bemerkenswert ist der Film in inhaltlicher Hinsicht. Lotte Reiniger stellte sich mit dem PRINZEN ACHMED quer zum Zeitgeist der technik- und rationalitätsgläubigen zwanziger Jahre. »Ich glaube eher an Märchen als an Zeitungen«, sagte sie einmal und verlieh damit einer Skepsis gegenüber rationaler Dominanz ebenso Ausdruck wie dem Glauben an die Möglichkeit der Katharsis vermittels poetischer Weltenschau.
Ihre Fantasie schlägt Funken aus der Beschränkung auf die Zweidimensionalität der Figuren und die Schattierungen des Schwarz-Weiß, das nur durch die Einfärbung des Filmmaterials aufgebrochen wird. Durch Stilisierung und Abstraktion wird Wesentliches eingefangen, Wirklichkeit bricht sich in der Bilderwelt der Lotte Reiniger wie an einem Zauberspiegel und gibt Blicke auf verborgene Tiefenschichten frei.
In ihrer antirealistischen, auf Imagination zielenden Ästhetik öffnet sich die Bilderwelt des Films der Musik. Heinz Tiessen, einer der großen, heutzutage viel zu wenig beachteten Komponisten jener Zeit (Zeller war sein Nachfolger als Leiter der Bühnenmusik an der Volksbühne), beschrieb die Aufgabe der Filmmusik folgendermaßen: »Ihrer Fähigkeit fällt es zu, dem Ausdrucksbestreben des Regisseurs und Darstellers gleichsam die Hand zu reichen und ihm – über die erkältende Kluft des Mechanismus hinweg – zu packender Eindrucksmöglichkeit zu verhelfen, indem sie die Handlung innerlich miterlebt.« Solchen Anspruch erfüllt Zellers Musik kongenial. Dabei war die Aufgabe keineswegs einfach zu meistern. Als an der Theaterpraxis geschulter Musiker brachte er zwar gute Voraussetzungen mit, aber diese Erfahrungen konnten ihm beim Komponieren für den Film nur bedingt helfen, denn hier war eine Musik von sinfonischen Dimensionen nötig, die einerseits der Handlungskurve des Films folgen musste und andererseits in sich, nach rein musikalischen Gesetzmäßigkeiten, stimmig sein sollte. Modelle, an denen Zeller sich hätte orientieren können, gab es kaum. Gewiss, Wagners Leitmotivtechnik bot sich an, und in der Tat bediente sich Zeller solcher Mittel – freilich nicht in zu vordergründiger Weise. Leitmotive dienten ihm weniger dazu, Personen zu charakterisieren, sondern halfen vor allem, bestimmte Sphären – den Hof des Kalifen von Bagdad, die Zauberwelt des Inselreiches von Wak-Wak, den Hof des chinesischen Kaisers, die Einflussbereiche von Zauberer und Hexe – voneinander abzuheben.
Dabei arbeitete Zeller meist mit ganzen Motivkomplexen, die ihm Möglichkeiten zu neuen Kombinationen und variativer Entfaltung eröffneten. Die formale Struktur der Musik korrespondiert mit der Szenenfolge des Films. Dennoch wahrt sie Eigenständigkeit und tendiert zum Sinfonischen. Formale Bindung wird durch Reprisenbildungen erreicht, die den Eindruck zyklischer Geschlossenheit vermitteln – etwa gegen Ende des ersten Aktes oder im letzten Akt, der die wichtigsten Themenkomplexe der vorangegangenen Akte nochmals in gedrängter, gesteigerter Form Revue passieren lässt. Aufgebrochen wird das sinfonische Kontinuum durch eingeblendete Episoden, die in sich geschlossen sind und im Verlauf des Werkes nicht wiederkehren: Hierzu zählen die scherzosen Partien im zweiten Akt, wenn Achmed im Zauberreich mit den Verführungskünsten des weiblichen Gefolges der Fee Pari Banu konfrontiert wird, das »Andante amoroso«, wenn er die Fee beim Bad im See beobachtet, und die exotische Glockenspielmusik am chinesischen Hof (3. Akt).
Zellers Fähigkeiten, sehr plastische, assoziative musikalische Formulierungen zu erfinden und überaus suggestive Steigerungen zu bauen, kommen den Anforderungen an eine gute Filmmusik entgegen. Sein sinfonischer Stil ist in der spätromantischen Klangwelt verankert, die freilich durch Ganztonklänge, ausgiebige Chromatismen und dissonante Klangballungen erweitert wird, wann immer es erforderlich ist. Die Kritik zeigte sich 1926 beeindruckt: »Was ihm die Entwicklung von Weber bis Strauss an koloristischen und anderen Ausdrucksmitteln lieferte, ist mit selbständigem Geschmack genützt. Seine Musik ist sinfonisch durchgearbeitet wie irgendeine, tonal, aber voll überraschender, stets aparter Harmoniefolgen und Ausweichungen. Sicher getroffen das Märchenhafte und was unser europäisches Ohr als ›orientalisch‹ zu empfinden gewöhnt ist.« (Franz Wallner-Basté in der B.Z. am Mittag vom 14. September 1926) Schließen wir uns dem Resümee von Lothar Prox an: »Ohne Übertreibung darf Zellers Vertonung des Silhouettenfilms von Lotte Reiniger zu den schönsten Zeugnissen der Stummfilmära gezählt werden.«
Die ältesten erhaltenen Quellen der Filmmusik zum PRINZEN ACHMED von Wolfgang Zeller sind ein Satz von Orchesterstimmen sowie ein Klavierauszug mit Instrumentationsangaben und eingeklebten Filmbildern, die der Synchronisation dienen. Dieses Material wird in der Library of Congress in Washington aufbewahrt. Auf der Grundlage dieser Quellen hat Helmut Imig um die Jahrtausendwende eine Partitur erstellt, die auch Grundlage der 2001 veröffentlichten Einspielung auf DVD war. Diese Fassung fordert ein mit 2 Flöten, Oboe, 2 Klarinetten, Fagott, 2 Hörnern, 2 Trompeten, Posaune, Pauken, Schlagwerk, Celesta und chorischen Streichern doch recht groß besetztes Orchester. Die Einrichtung für Kammerensemble von Jens Schubbe entstand für eine Aufführung 2008 am Konzerthaus Berlin. Ziel war es damals, eine Aufführungsversion zu produzieren, die in kleineren Räumen und mit einem kleineren Ensemble realisiert werden kann und dabei doch den Farbreichtum des großen Orchesters bewahrt. Dabei ging es auch darum, eine Bemerkung zu beachten, die der oben zitierte Kritiker Franz Wallner-Basté in seine Uraufführungsrezension einfließen ließ: »Ich dächte mir alles minder kompakt, durchsichtiger, mehr musikalisches Schattenspiel.«
Jens Schubbe
Die Kooperation zwischen den Brüdern Andi und Hannes Teichmann, Live-Elektronik und dem Komponisten und Zitherspieler Leopold Hurt geht auf einen gemeinsamen Auftritt beim Münchner Zitherfestival 2001 zurück. Aus dem damals spontan entstandenen Projekt entwickelte sich eine langjährige Zusammenarbeit als live-elektronische Kammermusikformation.
Die Musik des Trios zeichnet sich durch ihre erfrischend unvoreingenommene, stilistisch ungebundene Herangehensweise aus. Dabei sind die musikalischen Hintergründe der einzelnen Mitglieder – elektronische Musik auf der einen und zeitgenössische Kunstmusik auf der anderen Seite – stetig präsent. Das Ergebnis ist jedoch kein nivellierendes Crossover, sondern eine unverkrampfte, immer wieder überraschende Arbeit mit Sounds, die ihre unterschiedliche Herkunft nie zu verschleiern suchen: von der NeuenMusik bis hin zu authentischer Volksmusik, von Pop-entlehnten Harmonien bis hin zu experimenteller Elektronik.
Vielfach bilden Klänge der live gespielten (E-)Zither die Ausgangsbasis für eine konzentrierte Weiterverarbeitung. Das bewusst analog gehaltene Setup von Andi und Hannes Teichmann verleiht der Musik eine zusätzliche, sehr persönliche Färbung. Modulare Synthesizer, Effekte und Drum Machines durchdringen dabei ausgedehnte Loops und kurz aneinandergeschnittene Samples; breit aufgefächerte Klanglandschaften wechseln sich ab mit kompakten Tracks im Songformat. Das Ganze geschieht nicht selten mit einer gewissen subversiven Ironie – letztlich ein klares Bekenntnis ihrer Liebe zu unkonventionellen Herangehensweisen an die Musik, die alle drei Interpreten auszeichnet.
Eine Neufassung der Musik von Wolfgang Zeller im Arrangement von György Mondvay vom Ensemble I SALONISTI in Bern eingespielt.
Der Wunsch des Ensembles, die orchestrale Filmmusik zu Lotte Reinigers Werk DIE ABENTEUER DES PRINZEN ACHMED in der Version für zwei Violinen, Cello, Kontrabass und Klavier einzuspielen, erwuchs aus der kontinuierlichen Arbeit des Ensembles an den klanglichen Möglichkeiten seiner Besetzung (seit 1981): Vom filigranen zweistimmigen Satz bis zum vollen orchestralen Klang steht dem Quintett eine reiche Palette zur Verfügung. Erfahrungen mit anderen Bearbeitungen ausgesprochen sinfonischer Werke wie z. B. »Scheherazade« von Nikolai Rimksy-Korsakow, der Ersten rumänischen Rhapsodie von Georges Enescu oder der Balettsuite »La Strada« von Nino Rota zeigen, dass mit der scheinbaren Reduktion der klanglichen Vielfalt Intimität, Transparenz sowie eine interpretatorische Spontaneität gewonnen werden können, welche die Werke in einem ganz neuen Licht erscheinen lassen.
Diese Überlegungen veranlassten I SALONISTI, die originale Filmmusik von Wolfgang Zeller für ihre Besetzung bearbeiten zu lassen. Der ungarische Komponist und Arrangeur György Mondvay, einer der letzten Schüler von Léo Weiner, stellte die Quintettfassung her. Diese kammermusikalische Version der Filmmusik betont die Intimität und die konzise Bildsprache des Films DIE ABENTEUER DES PRINZEN ACHMED.
Auf die Erstaufführung von ACHMED mit der Live-Musik von I SALONISTI im Rahmen der Schweizerischen Landesausstellung EXPO.02 folgte neben weiteren Aufführungen u. a. eine Tournee im Orient (Iran, Emirate). Wenn I SALONISTI Lotte Reinigers Kunstwerk aus dem Jahre 1926 lebendig werden lassen, ist ihnen ein begeistertes Echo des Publikums sicher.
I SALONISTI (www.isalonisti.ch) gibt es seit 1981. Das Interesse des Ensembles, Werke unterschiedlichster Herkunft und Faktur in dem ihm eigenen Quintettklang aufzuführen, bestimmt die Vielfalt der Konzertprogramme von I SALONISTI. Immer veranlassen die verschiedenen musikalischen Welten das Ensemble, seine Ausdrucksmittel zu erweitern und zu perfektionieren.
Die Stationen dieser Entwicklung sind mit zahlreichen Aufnahmen, die bei EMI, Decca und Sony erschienen sind, dokumentiert. Zwei dieser Aufnahmen wurden mit dem »Grand prix du Disque« ausgezeichnet.
Als Protagonisten in James Camerons Film TITANIC (1997) haben I SALONISTI die legendären Musiker verkörpert.
»Alle Figuren, alle Hintergründe sind mit der Schere geschnitten. Ein Silhouettenfilm aus 96000 Einzelbildern, jede kleinste Bewegung penibel mit der Hand ausgeführt. Zur Premiere Anfang Mai 1926 in der Berliner Volksbühne war viel Prominenz gekommen, darunter Fritz Lang und Georg Wilhelm Pabst. Der Filmkurier lobte, man werde gefesselt, begeistert, entzückt und entrückt.«
Berliner Zeitung, 16.8.2018
»Die Abenteuer meines Prinzen Achmed«
Und zwar noch gründlicher als dies sonst bei anderen Verfilmungen üblich ist, wo man Darsteller zu finden sucht, die einigermaßen dem Charakter, um den es in der Geschichte geht, entsprechen und sie mit der Rolle betraut. Denn es sollte ein Silhouettenfilm werden, weil der Hersteller, der von dieser Idee besessen war, nämlich ich, nichts anderes konnte als Silhouettenfilme machen. Das waren Filme, deren Darsteller bewegliche Schattenfiguren waren, die auf einer von unten beleuchteten Glasplatte spielten und von oben her Bild für Bild aufgenommen wurden, daher der Name Trickfilm. Bisher hatte ich nur zehn Minuten lange Filme dieser Art gemacht, aber die Abenteuer dieses Prinzen sollten über eine Stunde dauern und so mussten für das Manuskript noch viele andere Motive aus dem reichen Schatz von Tausendundeiner Nacht, die sich besonders für diese Art fantastischer Filmgestaltung eigneten, herhalten. Prinz Achmed selber musste zunächst körperlich erfunden, gezeichnet, geschnitten, beweglich gemacht, beleuchtet, bewegt und aufgenommen werden.
Das geschah dann auch in Berlin in den Jahren 1923-1926; so lange dauerte es nämlich, bis der Film fertig wurde. Warum? Weil für solch einen Film für jede Sekunde 24 einzelne Bildchen aufgenommen werden müssen. Es sei den algebraischen Fähigkeiten des Lesers überlassen, zu errechnen, wie viele dann für ein Opus von über einer Stunde Länge vonnöten sind.
Und nicht nur darum. Es mussten auch, wie sich im Lauf der Arbeit herausstellte, unentwegt neue Erfindungen gemacht und ausprobiert werden, um der fantastischen Handlung zu entsprechen. Je länger die Aufnahmen für Prinz Achmed dauerten, desto anspruchsvoller wurden seine Wünsche. Der Trickfilm stak damals noch in seinen Kinderschuhen, es gab noch keine Mickey Mouse. Wohl aber gab es vereinzelte Künstler, die eigene Wege gingen, wie Walter Ruttmann mit seinen abstrakten Opera u.a. Doch da hatte Prinz Achmed Glück. Es gelang, Künstler wie Ruttmann und Bartosch für die Mitarbeit an diesem Film zu gewinnen.
Der junge Berliner Bankier, von dem die Idee ausging, einen abendfüllenden Trickfilm herzustellen (ein damals unerhörtes Unterfangen), richtete uns ein Atelier ein und ließ uns darin nach Herzenslust experimentieren.
Wir: Das waren mein Mann Carl Koch, ich, Walter Ruttmann, Berthold Bartosch, Alexander Kardan und Walter Türck. Koch hatte die Aufnahmeleitung und Kontrolle der Technik, ich schnitt die Figuren und Dekorationen aus und bewegte sie, assistiert von Kardan und Türck. Ruttmann erfand und gestaltete wundervolle Bewegungen für Wolken, feuerspeiende Berge, Geisterschlachten und Zauberkämpfe. Bartosch komponierte Wellenbewegungen für einen Seesturm (heutzutage selbstverständlich, aber damals war es neu). Wir fingen zuerst bescheiden in schwarz-weiß an, dann wurden die Hintergründe reicher, mehr und mehr Figuren spielten gleichzeitig. Die Bewegungen wurden besser, die Absichten kühner, kurz, das Ganze immer vollkommener.
Obwohl wir uns noch in der Stummfilmzeit befanden, haben wir vom Anbeginn mit dem Musiker Wolfgang Zeller zusammengearbeitet, der uns Märsche oder Glockenspiele komponierte. Wir versuchten, die Szenen im Rhythmus der Musik aufzunehmen, damit später, wenn der Film mit Orchester aufgeführt wurde, ein synchroner Effekt zustande käme. So kamen Prinz Achmed und seine Abenteuer zustande.
Im Mai 1926 fand in der Volksbühne in Berlin zum ersten Male, und ich bin glücklich zu sagen, mit großem Erfolg, eine Aufführung statt. Im Juli darauf erlebte er seine Premiere in Paris, im Théâtre des Champs Elysées, und später im September im Gloria Palast in Berlin.
»Eine schöne Wiederbegegnung mit einem Kunstwerk, das so ganz anders ist als die fotorealistische, manchmal klinisch wirkendende Kunst des heute gängigen Animationsfilms.«
Louis Hagen jun. erinnert sich an die Filmarbeit zu »Die Abenteuer des Prinzen Achmed«, die er als Sechsjähriger miterlebte:
Lotte Reiniger erinnert sich an die erste Vorführung der »Abenteuer des Prinzen Achmed«:
Die Bonusfilme der Ausgabe der restaurierten Fassung auf DVD oder Blu-ray
Mit den Bonusfilmen in HD:
1921 Das Geheimnis der Marquise (2‘24“)
1931 Harlekin (22’20“)
1933 Carmen (9’42“)
1935 Papageno (10’52“)
Interview mit Lotte Reiniger aus
DIE FRAU HINTER DEN SCHATTEN (SD, ca. 17 Min., 1981)
Die Musiken der Bonusfilme
DAS GEHEIMNIS DER MARQUISE
Live-Mitschnitt vom 11. November 2017 aus der Komischen Oper Berlin.
Es spielt das Orchester der Komischen Oper Berlin unter der Leitung von Frank Strobel.
Tonmeister: Hartmut Homolka
HARLEKIN (D 1931/32) – 22 Min.
Musik-Arrangement: Eric Walter White
nach Kompositionen von François Couperin, Jean-Baptiste Lully, Wolfgang A. Mozart, Giovanni B. Pergolesi, Jean-Philippe Rameau, Domenico Scarlatti
Produktion: Towa Film, Berlin
UA: 01.05.1932, Berlin, U.T. Kurfürstendamm
Neu-Einspielung (2017): MDR-Sinfonieorchester
unter der Leitung von Frank Strobel
Besetzung: Flöte, Klarinette, Horn, Fagott, Violine, Viola, Cello, Cembalo, Trommel
Transkription: Khadija Zeynalova
Aufnahme: Christopher Tarnow (GENUIN),
Robert Baldowski (MDR)
Produzent: Thomas Schmölz (2eleven || zeitgenössische musik projekte)
CARMEN (D 1933/34) – 10 Min.
Musik: Georges Bizet (aus »Carmen«)
Musikbearbeitung: Hans Gellhorn
Technische Leitung: Fritz Röding, Arthur Neher
Produktion: Charlotte Koch-Reiniger
UA: 10.06.1934, Deutschland, Filmkunstwochen
PAPAGENO (D 1935) – 11 Min.
Musik: Wolfgang A. Mozart (aus »Die Zauberflöte«)
Musikbearbeitung: Hans Gellhorn
Musikalische Leitung: Nils Lieven
Produktion: Charlotte Koch-Reiniger
UA: 11.08.1935, Berlin, Kamera
Live-Mitschnitt vom 11. November 2017 aus der Komischen Oper Berlin.
Es spielt das Orchester der Komischen Oper Berlin unter der Leitung von Frank Strobel.
Tonmeister: Hartmut Homolka
(D 1931/32) – 22 Min.
Musik-Arrangement: Eric Walter White
nach Kompositionen von François Couperin, Jean-Baptiste Lully, Wolfgang A. Mozart, Giovanni B. Pergolesi, Jean-Philippe Rameau, Domenico Scarlatti
Produktion: Towa Film, Berlin
UA: 01.05.1932, Berlin, U.T. Kurfürstendamm
Neu-Einspielung (2017): MDR-Sinfonieorchester
unter der Leitung von Frank Strobel
Besetzung: Flöte, Klarinette, Horn, Fagott, Violine, Viola, Cello, Cembalo, Trommel
Transkription: Khadija Zeynalova
Aufnahme: Christopher Tarnow (GENUIN),
Robert Baldowski (MDR)
Produzent: Thomas Schmölz (2eleven || zeitgenössische musik projekte)
(D 1933/34) – 10 Min.
Musik: Georges Bizet (aus »Carmen«)
Musikbearbeitung: Hans Gellhorn
Technische Leitung: Fritz Röding, Arthur Neher
Produktion: Charlotte Koch-Reiniger
UA: 10.06.1934, Deutschland, Filmkunstwochen
(D 1935) – 11 Min.
Musik: Wolfgang A. Mozart (aus »Die Zauberflöte«)
Musikbearbeitung: Hans Gellhorn
Musikalische Leitung: Nils Lieven
Produktion: Charlotte Koch-Reiniger
UA: 11.08.1935, Berlin, Kamera
Zeit seines Lebens war Eric Walter White ein kreativer Mensch, der künstlerische Begabung mit wissenschaftlichem Interesse und kulturpolitischem Engagement verband. Er schrieb Gedichte (»The Room and Other Poems«, 1927), Kurzgeschichten, Bücher über Schriftsteller (»Images of H. D.«, 1976) und pflegte – nicht zuletzt aufgrund seiner Karriere im British Art Council – Kontakte mit Autoren wie Patricia Beer, Ted Hughes, Stevie Smith, H. D., Samuel Beckett oder Sylvia Plath. Er veröffentlichte zwei Bücher über die Geschichte der englischen Oper und stellte Biografien über Benjamin Britten (»A Sketch of His Life and Works«, 1949), Igor Strawinsky (»The Composer and His Works«, 1966) und Michael Tippett (»Tippett and His Operas«, 1979) vor. Bis 1971 war er in der Britischen Kulturadministration aktiv, engagierte sich u. a. für das Cambridge Poetry Festival und das Ilkley Literature Festival. 1977 erhielt er für seine Verdienste die Queen’s Silver Jubilee Medal.
Für sein HARLEKIN-Arrangement verwendete Eric Walter White Stücke von François Couperin, Jean-Baptiste Lully, Wolfgang A. Mozart, Giovanni B. Pergolesi, Jean-Philippe Rameau, Domenico Scarlatti und richtete sie für eine kleine Orchesterbesetzung ein. Da die Tonspur der historischen Aufnahme sehr starke Verklirrungen aufweist, entstand die Idee einer Neueinspielung. Dafür wurde die Musik transkribiert und mit Musikern vom MDR-Sinfonieorchester Leipzig unter der Leitung von Frank Strobel im Dezember 2016 neu produziert.
Impressum
Redaktion: Christel Strobel, Nina Goslar, Jean-Paul Goergen, Anke Mebold, Thomas Worschech, Molto Menz
Gestaltung: Christin Albert
absolut Medien, Am Hasenbergl 12, 83413 Fridolfing
Tel.: 030 285 39 87 0
Fax: 030 285 39 87 26