Lotte Reinigers
Märchen und Fabeln
»Lotte Reinigers Kunst vereinigt in sich die Elemente mehrerer uralter Traditionen. Da ist einmal die Silhouette selbst, eine im 18. und 19. Jahrhundert sehr häufig verwendete Gattung, sehr romantisch und zärtlich. Da ist zum zweiten das Schattentheater, eine Theaterform des Orients, sehr verbreitet in China und in den arabischen Ländern, von wo sie auch den Weg nach Europa fand. Drittes Element sind die Stoffe, die Lotte Reiniger in ihren Filmen verarbeitet: wieder die Märchentradition des Orients, aber auch die Märchen der großen deutschen Sammler, eines Wilhelm Hauff oder der Gebrüder Grimm, auch die des Franzosen Perrault. Nimmt man dann noch die musikalischen Motive dazu, hat man alles zusammen.«
Walter Schobert, Direktor des Deutschen Filmmuseums Frankfurt am Main
Abkürzungen (Materialquellen):
[BAFA] – Bundesarchiv-Filmarchiv
[BFI] – British Film Institute
[CS] – Christel Strobel, Agentur für Primrose Productions
[DIF/DFM] – Deutsches Filminstitut – DIF / Deutsches Filmmuseum, Frankfurt a. Main
Das Deutsche Filmmuseum ist eine Institution des Deutschen Filminstituts.
[FWU] – Institut für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht
[SDK] – Stiftung Deutsche Kinemathek – Filmmuseum Berlin
[ZK] – Zensurkarte
Hinweis
Die Archivangabe unterscheidet zwischen Materialien, die auf der DVD veröffentlicht wurden (in Klammern findet sich der Hinweis DVD und die jeweilige Laufzeit des Films), und – allerdings nur bei schlechter Überlieferungslage – weiteren relevanten Materialien, die sich in Archiven befinden, aber nicht für diese DVD verwendet wurden.
Märchen und Musik sind eng verwoben mit dem künstlerischen Schaffen von Lotte Reiniger (1899-1981). Beide waren Quellen ihrer Antriebskraft. Für DIE ABENTEUER DES PRINZEN ACHMED griff sie auf orientalische Motive zurück. Nach dem Zweiten Weltkrieg, als sie in London lebte, bearbeitete sie europäische Märchen, deutsche von den Grimms, französische von Perrault, die des dänischen Märchendichters Andersen, und ein Film wie KALIF STORCH zeigt, dass sie auch Tausendundeine Nacht nicht vergessen hatte.
Sie wanderte durch die Kulturen, ließ sich von ihnen anregen und zu etwas ganz Neuem inspirieren. Ihr handwerkliches Können und ihre immer präsente hintergründige Komik bewahren die Märchen-Sujets vor dem Abgleiten in unverbindliche Gefühlsseligkeit. Ihre Figuren sind leichte, beschwingte
Wesen, die sich mit ausgewogener Grazie und Schönheit bewegen und dennoch nie den Bezug zur Realität verlieren.
Hier werden 17 der erhaltenen Titel vorgestellt.
Berlin 1921
Silhouetten-Animationsfilm, ZK Nr. B.5885 vom 29.5.1922, Zensurlänge 275m Produktion: Reinigerfilm / Institut für Kulturforschung e.V.
Regie & Animation: Lotte Reiniger
Kamera: Carl Koch
Uraufführung: Terra-Theater Motivhaus, Berlin, 14.9.1921
Archive: BAFA (DVD: 8’45“), BFI (DVD: 8’30“), CS
1
Der fliegende Koffer
The flying coffer
The flying suitcase
Wie Lotte Reinigers Film ASCHENPUTTEL von 1922 wurde DER FLIEGENDE KOFFER in England durch die Londoner Film Society vertrieben. Für die DVD wurde im BFI erhaltenes Nitromaterial dieser englischen Edition abgetastet. Obwohl dieses Originalmaterial aus den 20er Jahren stammt, sind Zeichnung und Gradation des Filmbilds nicht optimal, insbesondere die Hintergründe sind in der Darstellung vielfach blass. Leider scheint kein ursprungsnahes Material erhalten zu sein, welches die gestalterisch anspruchsvollen Hintergründe Lotte Reinigers wirkungsvoll zur Geltung bringt. Die deutsche Fassung des Bundesarchiv-Filmarchiv wird auf der DVD der englischen gegenübergestellt.
Berlin 1922
Silhouetten-Animationsfilm, ZK Nr. B.7049 vom 6.3.1923, Zensurlänge 370m Produktion: Institut für Kulturforschung e.V.
Produzent: Hans Cürlis
Regie & Animation: Lotte Reiniger
Kamera: Carl Koch
Verleih: Ufa
Archive: BFI (DVD: 12’52“, Virage: blau, lavendel), DFM (DVD: 13’03“, s/w), BAFA (Virage: hellorange)
2
Aschenputtel
Cinderella
Erhalten ist nur die Verleihfassung der Film Society. Im Archiv des BFI findet sich hiervon ein in Blau und Lavendel viragiertes Nitromaterial, welches auf der DVD zu sehen ist. Ergänzend wird das s/w-Material aus den Beständen des DFM präsentiert, um die stark unterschiedliche Wirkung dieser zwei Materialien zu demonstrieren. Auch im Bundesarchiv-Filmarchiv ist lediglich die Film Society-Version erhalten, allerdings monochrom in hellorange viragiert. Anhand der Zensurkarte lässt sich der Wortlaut der ursprünglichen deutschen Zwischentitel vergleichen.
1954 gestaltete Lotte Reiniger ASCHENPUTTEL noch einmal als Tonfilm.
Filmkurier 22.12.1927
Berlin 1934 und/oder 1935
Silhouetten-Animationsfilm, ZK Nr. B.40679 vom 15.11.1935, Zensurlänge 378m Produktion: Charlotte Koch-Reiniger [sic!]
Verleiher: Terra Filmkunst
Regie & Animation: Lotte Reiniger
Produktionsleitung: Carl Koch
Assistent: Arthur Neher
Musik: Horst Hans Sieber
Tonherstellung: Lignose Hörfilm
System: Tobis Klangfilm
Archive: BAFA (DVD: H.H. Sieber-Version 13’19“; DVD: F.H. Heddenhausen Version 12’45“), SDK, DFM – verschiedene Versionen
3
Der Graf von Carabas
Der gestiefelte Kater
Puss in Boots
- Die ursprüngliche Fassung aus den 30erjahren enthält drei Lieder mit handlungsrelevantem, humorvollem Libretto. Es gibt neben der Orchestermusik auch Sprachpassagen, die hauptsächlich der Kater wahrnimmt. Das Bundesarchiv-Filmarchiv hat, von einem Nitromaterial aus der Sammlung der SDK ausgehend, diese Fassung gesichert und eine neue Filmkopie gezogen, die auf der DVD präsentiert wird. Diese Fassung ist auch durch die Zensurkarte belegt.
- Es gibt eine weitere deutsche Fassung, in Reimen gesprochen mit Musik von F.H. Heddenhausen, in der auch neues Bildmaterial zu finden ist. Über die Entstehung dieser Fassung ist nichts weiteres bekannt. Inhaltlich gibt es einige Differenzen: z.B. bekommt hier der Kater die Fahigkeit zu sprechen auf eigenen Wunsch von Feen verliehen, in einer romantisch gestalteten Mondnacht an einem See, mit Feen-Reigen und Spinnweben. Auch diese zweite Fassung wurde von einem neu gezogenen Positiv des Bundesarchivs abgetastet.
- In den 50er Jahren produzierte Primrose Productions in England eine Re-release-Version des Titels, möglicherweise für die Märchenfilm-Serie des britischen und amerikanischen Fernsehens. Für die DVD wurde hiervon die englischsprachige Originalfassung ausgewählt. Die Musik dieser späteren Edition des Märchenfilms stammt von Peter Gellhorn.
Berlin, Januar 1944 bis 1947
Silhouetten-Animationsfilm
Produktion: Reichsanstalt für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht, Berlin / Rechtsnachfolger: Institut für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht (FWU) Regie & Animation: Lotte Reiniger
Vertonung 1988 durch studio-tv-film GmbH (Altenbach) im Auftrag von Primrose für das ZDF, Redaktion Kinder und Jugend (Redaktion: Irene Wellershoff)
Musikalische Bearbeitung: Frank Strobel unter Verwendung von Musik von Freddie Phillips
Textfassung: Gerold Hofmann, basierend auf dem Original-Text der Brüder Grimm Archive: BAFA (DVD: Bildmaterial, 11’59“), DFM (DVD: Tonmaterial)
4
Die goldene Gans
Der Film verblieb ursprünglich stumm und ungeschnitten. Eine stumme Schnittfassung wurde durch die FWU erstellt und 1963 ins Verleihprogramm aufgenommen. Anlässlich einer Ausstrahlung durch das ZDF ließ Primrose 1988 den Film vertonen: ein Kompilationstrack wurde zusammengestellt aus unterschiedlichen Tonspuren, die Freddie Phillips für die Märchenfilm-Serie der 50er Jahre komponiert hatte.
Die Bildabtastung, die auf dieser DVD zu sehen ist, erfolgte für bestmögliche Bildqualität von 35mm-Material des FWU, das im BundesarchivFilmarchiv eingelagert ist. Der Verleih durch FWU und Primrose erfolgte lediglich mit 16mm-Kopien. Der Ton, sowohl der Musikfassung als auch der deutschen Sprachfassung, wurde von Material aus der Sammlung des DFM abgetastet.
1953/54
produziert von Primrose Productions für das US-Fernsehen (RKO) und den Britischen Sender BBC, Sommer 1953 bis Ende 1954
Märchenfilm-Serie
Die Firma Primrose Film Productions Ltd. (benannt nach dem Londoner Stadtteil Primrose Hill, wo die Firma ihre Geschäftsräume hatte) wurde 1952 von Louis Hagen – dem Sohn des Bankiers, der einst DIE ABENTEUER DES PRINZEN ACHMED finanziert hatte – zusammen mit Vivian Milroy gegründet, die zuvor für die BBC die Verfilmung von LiveSchattenspielvorführungen von Lotte Reiniger produziert hatte. Richard Kaplan, ein Fernseh-Produzent aus New York, wurde dritter Partner der Firma.
Ausschlaggebend für die Entstehung der Märchenfilmserie im »Abbey Arts Centre« in New Barnet, dem Arbeits- und Wohnort von Lotte Reiniger und Carl Koch, war ein Auftrag des US-amerikanischen Fernsehsenders RKO. Die BBC strahlte die Filme in England aus.
Lotte Reiniger arbeitete wie bei fast allen ihren Filmen eng zusammen mit ihrem Mann Carl Koch. Um die Animationsarbeit an der Filmserie zu ermöglichen, hatte Louis Hagen in London eigens einen Tricktisch in Auftrag gegeben. Dieser Tricktisch befindet sich heute in der Sammlung des Filmmuseums Düsseldorf.
Die genaue Abfolge, in der die 12 oder 13 Filme erstellt wurden, lässt sich leider nicht mehr eindeutig ermitteln. Sie sind hier im Booklet alphabetisch nach den deutschen Märchentiteln geordnet.
Die Filme ALADDIN AND THE MAGIC LAMP und THE MAGIC HORSE waren ebenfalls Teil der Serie. Sie sind als Bonusmaterial auf DVD 1 der Lotte Reiniger-Edition, DIE ABENTEUER DES PRINZEN ACHMED (D 1923-1926), zu finden, da sie teilweise mit dem Filmmaterial des PRINZEN ACHMED korrespodieren.
Nicht eindeutig ist, ob PUSS IN BOOTS im Rahmen dieser Märchenfilmserie von Primrose vermarktet wurde oder ein davon unabhängiges Primrose Re-release-Projekt des 30er Jahre Films, analog zu THE LITTLE CHIMNEY SWEEP. Die andersartige Gestaltung der Anfangs- und Endtitel unterstützt die zweite Theorie.
Die Originalfassungen der Märchenfilme sind in englischer Sprache. Für einige der Titel hat Primrose in den 50erJahren eine deutsche Sprachfassung für den Verleih nach Deutschland erstellt. Ob eine deutschsprachige Fassung erstellt wurde oder nicht, war wohl von der konkreten Nachfrage nach einem Titel abhängig.
Ein Teil der Filme wurde 1967 vom ZDF übernommen und damit zum ersten Mal nach der Emigration Lotte Reinigers einer größeren Öffentlichkeit in Deutschland vorgestellt. Der Sender ließ für die deutsche Ausstrahlung neue Tonspuren anfertigen. Verantwortliche Redakteurin war Alice Ammermann. 1983 produzierte der Bayerische Rundfunk für einige Titel nochmals neue, sehr charmante Tonspuren mit Jörg Hube in der Sprecherrolle.
Die Filmmaterialien zu den Lotte Reiniger-Filmen wurden in den 90er Jahren von Primrose Productions an die Sammlung des Deutschen Filmmuseums Frankfurt am Main übergeben. Sie bestehen aus unterschiedlichen Elementen der Produktions- und Distributionsphasen der Filme: Bildnegative, Tonspuren und Arbeitskopien, die abgeglichen und auf ihren technischen Zustand hin geprüft wurden. Bezüglich der englischen und deutschen Sprachfassungen sowie Musikmischungen ergab sich für fast jeden Titel ein unterschiedlicher Befund. Die letztlich für diese DVD verwendeten Fassungen sind in den Credits zu den einzelnen Titeln angegeben.
London 1953/1954
Silhouetten-Animationsfilm
Produktion: Primrose Productions
Regie & Animation: Lotte Reiniger
Production Team: Carl Koch, Louis Hagen, Vivian Milroy
Musik: Freddie Phillips
Archiv: DFM (DVD: 10’19“)
Deutsche Fassung: Primrose, Sprecher: Leo Bieber
Deutscher Erstverleih: FSK Prüf-Nr. 10823, 14.10.1955, Deutsche London Film Verleih GmbH, Hamburg
5
Aschenputtel
Cinderella
Aschenbrödel
Hier wird Aschenputtels Schicksal in fünf Akten erzählt: 1. Aschenputtels Alltag – 2. Die Stiefschwestern auf des Königssohns Ball – 3. Die gute Fee, die in der Küche erscheint und vor dem nächtlichen Haus eine der wunderbarsten Verwandlungen inszeniert: Ein Kürbis wird zur Karosse, aus Taubchen werden Pferde und zwei Mäuslein verwandeln sich in einen Kutscher und seinen Lakaien. – 4. Aschenputtels Auftritt mit einer Mondscheinfahrt zum Schloss, dem Gang über die Freitreppe, dem Tanz im Ballsaal. Als die Uhr auf Mitternacht zugeht und der Zauber seine Wirkung zu verlieren droht, entflieht Aschenputtel so geschwind, dass der Königssohn ihr nicht folgen kann. Ein ratloser Königssohn reitet zurück zum Schloss, begleitet von den Täubchen, die ihm den verlorenen Schuh zeigen. – 5. Glückliches Ende: Der Königssohn macht sich auf die Suche nach dem Mädchen, dessen Fuß in den Schuh passt. Die beiden Schwestern sehen eine letzte Chance und stecken Aschenputtel in den Keller. Da zeigen die Mäuslein dem Prinzen die Falltür zum Keller – Aschenputtel steigt heraus, und die Schwestern sinken ohnmächtig zu Boden. Der Königssohn reitet mit Aschenputtel zum Schloss.
London 1953/1954
Silhouetten-Animationsfilm
Produktion: Primrose Productions
Regie & Animation: Lotte Reiniger
Production Team: Carl Koch, Louis Hagen, Vivian Milroy
Musik: Freddie Phillips
Archiv: DFM (DVD: 10’17“)
Deutsche Fassung: Primrose, Sprecher: Gerard Heinz
6
Däumelinchen
Thumbelina
Däumelienchen
In einer Wiese wächst eine wunderschöne Blume, aus deren Blüte ein anmutiges Mädchen steigt. Da es nicht größer ist als ein Daumen, wird es Däumelinchen genannt. Eine hässliche Kröte meint, mit Däumelinchen eine schöne Frau für ihren Sohn gefunden zu haben. Gerade noch rechtzeitig kann das zarte Wesen fliehen, wobei ihr die Fische helfen, und ein Schmetterling bringt es in eine verwunschene Flusslandschaft. Am sicheren Ufer verbringt Däumelinchen den Sommer und Herbst mit heiteren Spielen zwischen Pilzen, Sträuchern, Farnen und Blumen. Als der Winter einzieht, findet es Zuflucht unter der Erde bei einer Feldmaus. Deren Nachbar, der reiche Maulwurf, verliebt sich in das schöne Mädchen und die Feldmaus rät, den Heiratsantrag nicht abzuschlagen. Am Tag der Hochzeit geht Däumelinchen noch einmal hinaus, um sich von den Pflanzen und Tieren, der Sonne und dem Himmel, zu verabschieden. Einer Schwalbe, die sich auf ihrem Flug in den Süden in den Zweigen ausruht, klagt das Mädchen sein Leid. Da beschließen sie, zusammen in die warmen Länder zu fliegen. Auf dem Rücken der Schwalbe geht es über Wälder, Seen und hohe Berge nach Griechenland. Im Land der Elfen und Blüten findet Däumelinchen unter seinesgleichen eine neue Heimat.
Hans Christian Andersen, der dieses Märchen schrieb, hatte selber eine Zugvogelnatur. Ein Leben lang reiste und wanderte er von seiner Heimat Dänemark aus durch ganz Europa und wurde zu immer neuen Geschichten angeregt. Lotte Reiniger liebte zeitlebens die Märchen von Andersen. Schon 1921 gestaltete sie ein Märchen des dänischen Dichters, DER FLIEGENDE KOFFER (siehe S. 4), und noch ein Jahr vor ihrem Tod schnitt sie mit der Schere die Illustrationen zu dem Märchen »Die kleine Seejungfrau«, das als Büchlein erschienen ist.
Der Haupttitel der deutschen Fassung weist die ungewöhnliche Schreibweise DÄUMELIENCHEN auf, vermutlich ein Schreibfehler des Kopierwerks.
London 1953/1954
Silhouetten-Animationsfilm
Produktion: Primrose Productions
Regie & Animation: Lotte Reiniger
Production Team: Carl Koch, Louis Hagen, Vivian Milroy
Musik: Freddie Phillips
Archiv: DFM (DVD: 10’14“)
Deutsche Fassung: Primrose, Sprecher: Leo Bieber
Deutscher Erstverleih: FSK Prüf-Nr. 9115, 6.0l./6.09 .1955, Schorcht Filmverleih GmbH, München.
7
Dornröschen
Sleeping Beauty
»Es war einmal ein König und eine Königin«, beginnt der Erzähler die Geschichte von Dornröschen: Mit aller Pracht wird die Geburt der Königstochter gefeiert, bis die dreizehnte Fee, die bei den Einladungen übergangen wurde, der kleinen Prinzessin weissagt, dass sie sich an ihrem fünfzehnten Geburtstag an einer Spindel stechen und tot umfallen soll. Diesen bösen Fluch kann die zwölfte der Feen zum hundertjährigen Schlaf abmildern. Obwohl alle Spindeln im Lande eingesammelt werden, lässt sich das Schicksal nicht aufhalten. Die Königstochter entdeckt einen alten Turm, in dessen Kammer eine geheimnisvolle Alte sitzt und spinnt. Der Spindelstich lässt die Verwünschung der Fee in Erfüllung gehen. Alles erstarrt im Schlaf und eine Dornenhecke überwuchert das ganze Schloss. Im hundertsten Jahr kommt ein junger Königssohn, der die Sage von einem alten Schäfer gehört hat, und befreit Dornröschen mit dem erlösenden Kuss. Alles am Hofe erwacht wieder zum Leben. Es gibt eine prächtige Hochzeit und die Dornenhecke fällt Stück für Stück in sich zusammen.
» Dornröschen« der Brüder Grimm spielte schon früh eine Rolle in Lotte Reinigers Leben. Wie sie gern erzählte, war eine Verfilmung dieses Märchens in einem Berliner Kino zu sehen, doch als sie mit ihrer Großmutter dorthin kam, war der Film bereits abgesetzt. Enttäuscht und wütend setzte die kleine Lotte sich vor dem Kino auf die Treppe und weinte, so dass der Kinobesitzer Erbarmen mit ihr hatte und den Film noch einmal besorgte …
London 1953/1954
Silhouetten-Animationsfilm
Produktion: Primrose Productions
Regie & Animation: Lotte Reiniger
Production Team: Carl Koch, Louis Hagen, Vivian Milroy
Musik: Freddie Phillips
Archiv: DFM (DVD: 10’16“)
Deutsche Fassung: Primrose, Sprecher: Leo Bieber
8
Die drei Wünsche
The three wishes
Martin, ein Holzfäller, lebt mit seiner Frau Grete in einem kleinen Haus am Waldesrand. Sein Tagwerk im Wald beginnt er mit einer zünftigen Brotzeit. Da hört er seinen Namen rufen. Die Stimme kommt aus einer Eiche, in der eine unglückliche Fee gefangen ist. Zum Dank, dass Martin die Fee befreit, schenkt sie ihm einen Ring, der drei Wünsche erfüllen wird. Geschwind kehrt er nach Hause zurück, erzählt seiner Grete von dieser wunderbaren Begebenheit – und jetzt stehen sie vor der Qual der Wahl. Grete lässt sich von Martin den Ring geben und schickt ihn selbst zum Schulmeister um Rat. In ihren Gedanken sieht sie sich als vornehm gekleidete Dame, doch als der Nachbar Kaspar mit einem Bierfass daherkommt, ist es Gretes laut geäußerter Wunsch, dazu eine große Schüssel Bratwürste zu haben, der sofort in Erfüllung geht. Als Martin bei seiner Heimkehr die Bescherung sieht, nimmt er Grete den Ring weg und wünscht in seiner Wut die Bratwürste an Gretes lange Nase, was sofort geschieht. Nun muss wohl oder übel der dritte und letzte Wunsch alles wieder rückgängig machen.
Die märchenhafte Wunschgeschichte basiert auf Motiven der Brüder Grimm. Lotte Reiniger deutete und gestaltete die Vorlagen am Tricktisch auf ihre eigene, augenzwinkernde Weise. Sie lässt die Geschichte versöhnlich enden: bei ihr erscheint die Fee über der Bratwurstschüssel und verlangt den Ring zwar zurück, beschenkt aber Martin und Grete mit drei schon gleich erfüllten Wünschen:Jugend, Gesundheit und gutes Auskommen miteinander.
London 1953/1954
Silhouetten-Animationsfilm
Produktion: Primrose Productions
Regie & Animation: Lotte Reiniger
Production Team: Carl Koch, Louis Hagen, Vivian Milroy
Musik: Freddie Phillips
Archiv: DFM (DVD: dt. Fassung 10’16“, engl. Fassung 10’15“)
Deutsche Fassung: Primrose, Sprecher: Leo Bieber
Deutscher Erstverleih: FSK Prüf-Nr. 9114, 6.0l./6.09.1955,
Schorcht Filmverleih GmbH, München.
9
Der Froschkönig
The Frog Prince
Es geht die Sage, dass eine der drei Töchter des Königs mit Hilfe eines goldenen Balls standesgemäß heiraten wird. So ruft der König seine Töchter zu sich, um zu sehen, welche es sein könnte. Die erste verfehlt den Ball, auch die zweite, die jüngste Prinzessin aber fängt ihn und springt überglücklich hinaus, um mit dem guten Stück zu spielen. Doch der Ball fällt in einen tiefen Brunnen. Dort sitzt ein Frosch, der zu ihr spricht und verlangt, dass sie ihn mit zu sich nehmen solle, wenn er ihr den Ball zurück gibt. Froh, ihr Spielzeug wieder zu haben, vergisst die Prinzessin den armen Frosch und rennt nach Hause ins Schloss. Der Frosch aber folgt ihr und lässt sich nicht abweisen, begehrt Einlass, sitzt auf des Königs Geheiß mit am Tisch, denn: »Ein Versprechen ist ein Versprechen.« Noch einmal erinnert der König seine Jüngste an ihr Versprechen – und plötzlich verwandelt sich der Frosch in einen hübschen jungen Prinzen, zum größten Erstaunen von König und Prinzessin. Die Sage hat sich erfüllt und seine jüngste Tochter bekommt eine königliche Hochzeit. Eine eigenwillige, hintersinnige Interpretation des bekannten Märchens der Brüder Grimm, das mit Liebe zum kleinsten Detail ausgestaltet ist.
Die deutsche Tonspur des Froschkönigs ist von ungewöhnlich schlechter Klangqualität. Es war nur bedingt möglich, durch Nachbearbeitung die Probleme für die DVD herauszufiltern.
London 1953/1954
Silhouetten-Animationsfilm
Produktion: Primrose Productions
Regie & Animation: Lotte Reiniger
Produktionsteam: Carl Koch, Louis Hagen, Vivian Milroy
Musik: Peter Gellhorn
Archiv: DFM (DVD: 13’21“)
10
Der gestiefelte Kater
Puss in Boots
Der Graf von Carabas
Die deutsche Tonspur des Froschkönigs ist von ungewöhnlich schlechter Klangqualität. Es war nur bedingt möglich, durch Nachbearbeitung die Probleme für die DVD herauszufiltern.
London 1953/1954
Silhouetten-Animationsfilm
Produktion: Primrose Productions
Regie & Animation: Lotte Reiniger
Production Team: Carl Koch, Louis Hagen, Vivian Milroy
Musik: Freddie Phillips
Archiv: DFM (DVD: dt. Fassung 10’17“; engl. Fassung 9’52“)
Deutsche Fassung: Primrose, Sprecher: Gerard Heinz
11
Hänsel und Gretel
Hänsel and Gretel
Vor einem großen Wald steht das einfache Häuschen, in dem die Kinder Hänsel und Grete! mit ihren Eltern wohnen. Eines Tages laufen sie, ganz im Spiel vertieft, einem munteren Eichhörnchen nach. Von Reh und Hase begleitet, geraten sie immer tiefer in den Wald und stehen plötzlich vor dem Kuchen- und Zuckerhaus der Hexe. Die verzaubert die Kinder mit ihrem Hexenstock, so können sie den Garten des Hexenhauses nicht mehr verlassen. Gretel muss arbeiten und Hänsel wird zu einer Gans in den Käfig gesperrt und soll gemästet werden. In dieser ausweglos scheinenden Lage entdeckt Grete! das Eichhörnchen und sie beschließen, sich zu wehren. Das Mädchen, das Eichhörnchen und die Gans überwältigen die Hexe – ihr Zauberstock wird zerbrochen und damit löst sich die Hexe samt Hexenhaus im Nichts auf. So ist der Heimweg für Hänsel und Gretel frei. Von Gans und Eichhörnchen begleitet kehren sie Heim – glücklich schließen die besorgten Eltern ihre Kinder wieder in die Arme.
Lotte Reinigers HÄNSEL UND GRETEL enthält einige Änderungen der Grimmschen Vorlage, vor allem betrifft das den Schluss. Sie selbst hätte ihn wohl gern dem Original entsprechend gestaltet und die Hexe im Ofen verbrennen lassen, was jedoch nach Meinung der (aus Deutschland emigrierten) Produzenten so wenige Jahre nach dem Holocaust auch in einem Silhouettenfilm tabu war. So zerbricht mit dem Zauberstock der Hexe das Böse, was auch als ein eindeutiges Symbol gedeutet werden kann – durchaus im Sinne von Lotte Reiniger.
London 1953/1954
Silhouetten-Animationsfilm
Produktion: Primrose Productions
Regie & Animation: Lotte Reiniger
Production Team: Carl Koch, Louis Hagen, Vivian Milroy
Musik: Freddie Phillips
Archiv: DFM (DVD: 10’14“)
Deutsche Fassung: BR, Sprecher:Jörg Hube
Deutscher Erstverleih: FSK Prüf-Nr. 12619, 2.08.125.10.1956, Union Film Verleih GmbH, München.
12
Der Heuschreck und die Ameise
The Grasshoper and the ant
Auf einer Blumenwiese fiedelt der Heuschreck, was das Zeug hält, und alle tanzen nach seinen Melodien: die Schmetterlinge, die Frösche, ein Eichhörnchen, eine Maus, die Raupen und die Käfer. Nur die geschäftige Ameise lehnt die Einladung des lebenslustigen Heuschrecks ab: »Tanzen? Dass ich nicht lache! Ich habe keine Zeit für solche Sachen. Der Winter kommt, und ich muss Vorräte sammeln!« Doch an den Winter mag jetzt keiner denken. Aber eines Tages ist der heitere Sommer wirklich vorbei, und der Nordwind beginnt kräftig zu blasen. Während der Heuschreck von Kälte und Hunger geplagt wird, sitzt die Ameise in ihrer gemütlichen Stube. Als der Heuschreck an ihre Tür klopft, weist sie ihn barsch ab. So wäre er wohl erfroren, hätte nicht die Maus den reglosen Musikanten im Schnee gefunden und zusammen mit dem Eichhörnchen ins Warme getragen. Mit Mühe gelingt es den beiden, ihn ins Leben zurückzuholen. Und gleich greift er wieder zu seiner Fiedel und fängt mit seinem Spiel an. Nun steht die Ameise an der Tür und sucht Gesellschaft und Unterhaltung. Was die Maus und das Eichhörnchen verwehren, gesteht ihr der Heuschreck großmütig zu: »Kommen Sie nur herein, Fräulein Ameise! Den ganzen Sommer über haben Sie gearbeitet und jetzt, im Winter, können Sie tanzen!«
Lotte Reiniger hat die moralische Fabel von »Grille und Ameise«, die im Laufe von Jahrhunderten immer neue Bearbeitungen erfuhr, aus ihrer Sicht interpretiert: »Die Fabel endet mit einem Triumph der Ameise und das wollte ich nicht. – Ich bin sehr für den Heuschreck.« Wegen der Ästhetik des Silhouettenfilms hat sie die gedrungene Grille in einen Heuschreck verwandelt. Entstanden ist ein kleines Meisterwerk.
London 1953/1954
Silhouetten-Animationsfilm
Produktion: Primrose Productions
Regie & Animation: Lotte Reiniger
Production Team: Carl Koch, Louis Hagen, Vivian Milroy
Musik: Freddie Phillips
Archiv: DFM (DVD: 10’14“)
Deutsche Fassung: BR, Sprecher: Jörg Hub
13
Kalif Storch
Caliph Stork
Die Stadt Bagdad wurde von einem Kalifen regiert, der jung war und den seine Untertanen sehr schätzten. Sein bester Freund war der Großwesir. Aber der böse Onkel des Kalifen, der Zauberer Kashnur, war ihm nicht zugetan, denn der wollte selber Kalif sein. Deshalb lockt er den Kalifen samt dessen treuen Großwesirs in eine Falle. Er mischt ein Pulver, das denjenigen, der es schnupft und dabei das Zauberwort »Mutabor« (ich werde verwandelt) spricht, in ein Tier verwandelt. Mit demselben Wort und dreimaliger Verbeugung nach Osten kann er seine menschliche Gestalt wieder erlangen. Wer jedoch während der Verzauberung lacht, wird das Wort, auf das es ankommt, vergessen und für immer Tier bleiben. Beim Anblick von zwei Störchen, die sich um einen Frosch streiten, probieren der Kalif und sein Wesir das Mittel aus und werden zu Störchen. Da sie sich aber so sehr über den Streit der Störche amüsieren und darüber lachen müssen, vergessen sie augenblicklich das Zauberwort. Kashnur übernimmt derweil die Macht, und die Störche fliegen davon. Bei einer Rast in einem alten Gemäuer treffen sie eine Eule, die sich als verzauberte Prinzessin zu erkennen gibt. Sie weiß, dass sich am Abend alle Magier hier treffen. Die drei belauschen ihre Gespräche und erfahren das Zauberwort. Nach ihrer Rückkehr wird der böse Kashnur gezwungen, sein eigenes Pulver anzuwenden und als Storch in einen Käfig gesperrt, aber so, dass er sich nie nach Osten wenden kann.
Lotte Reiniger tauchte mit diesem Film – nach einem Märchen von Wilhelm Hauff – wieder in die Welt aus Tausendundeiner Nacht ein, schuf üppige Hintergründe mit märchenhaften Kuppeln, Dächern und Minaretten und verknüpfte den Zauber des Orients mit einer amüsanten Geschichte.
London 1953/1954
Silhouetten-Animationsfilm
Produktion: Primrose Productions
Regie & Animation: Lotte Reiniger
Production Team: Carl Koch, Louis Hagen, Vivian Milroy
Musik: Freddie Phillips
Archiv: DFM (DVD: dt. Fassung 12’43“, engl. Fassung 10’13“)
Deutsche Fassung: BR, Sprecher: Jörg Hube
14
Schneeweisschen und Rosenrot
Snow-White and Rose-Red
Nach dem Märchen der Brüder Grimm: Ein Prinz reitet durch den Wald und hält Ausschau nach seinem Bruder. Der ist von einem bösen Zwerg in einen Bären verwandelt worden. Im behaglichen Häuschen der Schwestern Schneeweißehen und Rosenrot hat der Bär Zuflucht vor dem kalten Winter gefunden. Sie lassen es sich gut gehen. Als der Winter vorbei und der Frühling gekommen ist, verschwindet der Bär wieder in den Wäldern, worüber die beiden Mädchen sehr traurig sind. Sie hoffen, ihm noch einmal zu begegnen, doch stattdessen entdecken sie den Zwerg in einer unglücklichen Lage: Sein langer Bart hat sich in einem Baum verwickelt, so dass er nicht mehr loskommt. Schneeweißchen und Rosenrot wollen ihm helfen, wenn er ihnen verspricht, den Bären in den Prinzen zurückzuverwandeln.
Notgedrungen erfüllt der Bösewicht endlich ihren Wunsch. Nachdem sich auch die Brüder wieder gefunden haben, kann eine Doppelhochzeit der Prinzen mit Schneeweißchen und Rosenrot gefeiert werden.
London 1953/1954
Silhouetten-Animationsfilm
Produktion: Primrose Productions
Regie & Animation: Lotte Reiniger
Production Team: Carl Koch, Louis Hagen, Vivian Milroy
Musik: Freddie Phillips
Archiv: DFM (DVD: 10’19“)
Deutsche Fassung: Primrose, Sprecher: Leo Bieber
Deutscher Erstverleih: FSK Prüf-Nr. 1116, 30.ll.1955/22.05.1956, Europa-Filmverleih GmbH, Hamburg.
15
Das tapfere Schneiderlein
The gallant little taylor
Vor der mit Stadtmauern und Türmen bewehrten Stadt erscheint der Filmtitel THE GALLANT LITTLE TAILOR und die Geschichte beginnt: Das Schneiderlein sitzt nähend am Fenster seiner Stube. Eines Tages kommt eine Marktfrau vorbei, der er ein Viertelpfündchen Mus abkauft, doch die Fliegen lassen ihn nicht in Ruhe. So schlägt er zu und stickt den Erfolg auf seinen Gürtel: »7 in one strake« (»7 auf einen Streich«). Vergnügt zieht das Schneiderlein in die Welt hinaus.
In einer Stadt ist der König in Sorge, weil zwei gewalttätige Riesen seine Untertanen in Atem halten. Das Schneiderlein übernimmt den Auftrag, die Riesen einzufangen. Mit Mut und List gelingt es ihm, die beiden schnarchenden Ungetüme so zu wecken, dass sie gegenseitig aufeinander losgehen. Schließlich kann das Schneiderlein mit den auf einem Karren festgebundenen Riesen in die Stadt zurückkehren, wo es schon erwartet wird. Stolz tritt das Schneiderlein dem König und seiner Tochter gegenüber … und der Erzähler im Film verkündet die Hochzeit und das glückliche Ende.
DAS TAPFERE SCHNEIDERLEIN, Lotte Reinigers Version des Grimmschen Märchens, wurde auf der 6. Biennale in Venedig 1955 mit dem »Silber-Delphin« (1. Preis für Kurzfilme) ausgezeichnet.
London 1955
Silhouetten-Animationsfilm
Produktion: Primrose Productions
Produzenten: Vivian Milroy, Louis Hagen
Animation: Carl Koch, Lotte Reiniger
Design: Lotte Reiniger
Musik: Freddie Phillips
Sprecher: Deryck Guyler
Schnitt: Richard Kaplan
Archiv: DFM (DVD: 11’34“)
16
Jack and the beanstalk
Nach Abschluss der Märchenfilmserie gerät Lotte Reiniger ins Experimentieren – das vertraute Schwarzweiß soll der Farbe weichen. So gestaltet sie 1955 den Film JACK AND THE BEANSTALK nach einem englischen Volksmärchen mit schwarzen Silhouettenfiguren vor farbigen Hintergründen.
Die Hauptfigur der Märchengeschichte ist Hans Qack), der mit seiner Mutter in Armut lebt. Auf dem Markt der Stadt soll Hans einen guten Preis für das letzte Schwein erzielen, das sie verkaufen müssen. Dort treffen sie auf ein rätselhaftes Männlein, und es kommt zu einem noch rätselhafteren Tauschgeschäft: Das Schwein wird gegen einen Beutel getauscht, in dem sich angeblich alle Reichtümer dieser Welt befinden. Die Enttäuschung der Mutter ist grenzenlos, denn sie entdeckt in dem Beutel nur ein paar ganz gewöhnliche Bohnen. Aber da beginnt das Wunder: Es sind keine gewöhnlichen Bohnen – kaum liegen sie in der Erde, beginnen baumdicke Ranken daraus zu wachsen. Da lässt sich Hans nicht mehr zurückhalten: Mutig klettert und hangelt er sich behände an den Bohnenranken hinauf bis er den Blicken der Mutter entschwindet. Oben entdeckt er das Schloss eines Riesen und dessen harfespielende Tochter -ein heiteres Zusammentreffen, denn nie zuvor hat sie einen so niedlichen Menschen wie den Hans gesehen. Doch dröhnendes Gebrüll kündigt die Rückkehr des menschenfressenden Riesen an, der für seine Tochter ein besonderes Mitbringsel dabei hat: eine Zauberhenne, die goldene Eier legt. Bevor Hans sich den Korb mit der Zauberhenne schnappen kann, muss er einen Kampf auf Leben und Tod mit dem Riesen bestehen. Er entkommt in einer wilden Verfolgungsjagd. Wieder zurück auf der Erde haut er mit ein paar Axthieben die Bohnenranken ab und der böse Riese stürzt kopfüber zu Tode. Und nun steht er wie der sprichwörtliche »Hans im Glück« stolz vor seiner Mutter. Er hat sich auf ein scheinbar törichtes Tauschgeschäft eingelassen und auf diesem Wege zu sich selbst gefunden und sein Glück gemacht. JACK AND THE BEANSTALK ist ein animierender Mutmacherfilm für die ganze Familie und für alle Lebensalter.
JACK AND THE BEANSTALK ist der erste Farbfilm von Lotte Reiniger für Primrose Productions, nachdem sie schon in den späten 30er Jahren und wiederholt nach dem 2. Weltkrieg für die Britische Regierung kurze Werbe- bzw. Informationsfilme in Farbe gestaltet hatte. Das Zusammenspiel der farbigen Hintergründe kommt im Kinofilm in einer klaren Eindrücklichkeit zur Wirkung, die leider auf einem Bildschirm nicht annähernd nachzuvollziehen ist.
Es wurde keine deutschsprachige Fassung erstellt, auf der DVD wird neben der englischen Originalfassung die internationale Musikfassung präsentiert.
London 1961
Silhouetten-Animationsfilm
Coventry Theatre
Regie & Animation: Lotte Reiniger
Archiv: DFM (DVD: 2’47’’)
17
Der Froschkönig
The Frog Prince
Ein kurzer farbiger Silhouettenfilm, eigentlich intendiert als Zwischenspiel für Live-Pantomimen-Aufführungen, produziert zum 25. Jubiläum des Coventry Theatres. Lotte Reiniger arbeitete mit farbigen Silhouetten auf farbigem Hintergrund.
Eine einzelne Rolle Bildpositiv-Material im Bestand der Primrose-Film-materialien im Deutschen Filmmuseum Frankfurt am Main fand sich als Ausgangsmaterial für die Abtastung. Eine Tonspur hierzu ist nicht erhalten und bei einem Pantomimen-Zwischenspiel auch eher unwahrscheinlich. Allerdings ist das Bildformat des überlieferten Bildpositives 1:1,375 mit freigelassener Tonspur.
Impressum
Redaktion: Christel Strobel, Nina Goslar, Jean-Paul Goergen, Anke Mebold, Thomas Worschech, Molto Menz
Gestaltung: Christin Albert
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