im kalten krieg
„Mit Eichmann steht Bonn vor Gericht!“
Neues Deutschland, 21.2.1961
Eich
mann
Die deutsch-deutsche Berichterstattung über den Eichmann-Prozess
Der Prozess gegen Adolf Eichmann, der 1961 in Jerusalem stattfand, gilt als Wendepunkt der gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Holocaust. Kaum ein Land berichtete ausführlicher über das Gerichtsverfahren als die Bundesrepublik Deutschland. Der NDR hatte zwei Korrespondenten entsandt, die in 36 Sendungen der Reihe EINE EPOCHE VOR GERICHT den Prozess verfolgten und darüber hinaus den Staat Israel vorstellten. In der DDR wurde zwar keine eigene Sendung zum Prozess produziert, aber sowohl in der AKTUELLEN KAMERA als auch im SCHWARZEN KANAL wurde wiederholt über das Gerichtsverfahren berichtet. Die Thematisierung des Prozesses diente dort jedoch primär dazu, auf frühere NS-Täter in der Bonner Regierung zu verweisen. Das zusammengestellte Material aus TV und Presse offenbart die Zuspitzung des deutsch-deutschen Systemkonflikts sowie die Rhetorik des Kalten Krieges.
Herausgeberinnen: Judith Keilbach, Irmgard Zündorf
Unter Mitarbeit von: Tabea Georges, Vivien Gidde, Linda Graul, Anna Kokenge

„Mit Eichmann steht Bonn vor Gericht!“
Neues Deutschland, 21.2.1961
Eich
mann
im
kalten
Krieg
Die deutsch-deutsche Berichterstattung
über den Eichmann-Prozess
Herausgeberinnen:
Judith Keilbach und Irmgard Zündorf
Unter Mitarbeit von:
Tabea Georges, Vivien Gidde, Linda Graul und
Anna Kokenge
Der Prozess gegen Adolf Eichmann, der 1961 in Jerusalem stattfand, gilt als Wendepunkt der gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Holocaust. Kaum ein Land berichtete ausführlicher über das Gerichtsverfahren als die Bundesrepublik Deutschland. Der NDR hatte zwei Korrespondenten entsandt, die in 36 Sendungen der Reihe EINE EPOCHE VOR GERICHT den Prozess verfolgten und darüber hinaus den Staat Israel vorstellten. In der DDR wurde zwar keine eigene Sendung zum Prozess produziert, aber sowohl in der AKTUELLEN KAMERA als auch im SCHWARZEN KANAL wurde wiederholt über das Gerichtsverfahren berichtet. Die Thematisierung des Prozesses diente dort jedoch primär dazu, auf frühere NS-Täter in der Bonner Regierung zu verweisen. Das zusammengestellte Material aus TV und Presse offenbart die Zuspitzung des deutsch-deutschen Systemkonflikts sowie die Rhetorik des Kalten Krieges.

Deutschland
im „Kalten Krieg“
Deutschland
im „Kalten Krieg“
Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 teilten die alliierten Siegermächte Deutschland in vier Besatzungszonen auf. Auf der Potsdamer Konferenz legten sie die gemeinsamen Ziele für das besetzte Deutschland fest, die sich unter den Stichwörtern Demokratisierung, Dezentralisierung, Denazifizierung und Demilitarisierung zusammenfassen lassen. Schon zum Ende der Konferenz wurde jedoch deutlich, dass die westlichen Alliierten und die Sowjetunion mit den Begriffen jeweils eine ganz unterschiedliche Politik verbanden. Die Differenzen manifestierten sich 1949 in der Gründung der beiden deutschen Staaten: der Bundesrepublik Deutschland im Westen und der Deutschen Demokratischen Republik im Osten. Die Grenze, die Deutschland in zwei Hälften teilte, markierte fortan die Konfliktlinie zwischen den beiden Machtblöcken, die jeweils unterschiedliche politische und wirtschaftliche Systeme repräsentierten. Gegenüber standen sich die westlichen Mächte unter Führung der USA, die mit ihren überwiegend demokratisch und marktwirtschaftlich organisierten Staaten die Verbreitung des „Kommunismus“ aufhalten wollten, und die östlichen Mächte unter Führung der Sowjetunion, die sich gegen den „Kapitalismus“ und „Imperialismus“ des Westens wandten.
Die beiden deutschen Staaten rangen in diesem internationalen Machtgefüge jeweils um ihre völkerrechtliche Anerkennung. Um ihrer Zugehörigkeit zum westlichen Lager Ausdruck zu verleihen, verabschiedete die Regierung der Bundesrepublik 1955 die sogenannte Hallstein-Doktrin, in der die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zur DDR durch Drittstaaten als „unfreundlicher Akt“ gewertet und entsprechend scharf verurteilt wurde. Mit der Doktrin formulierte die Bundesrepublik zugleich einen faktischen Alleinvertretungsanspruch und wertete ihren Staat als den einzig legitimen Rechtsnachfolger des Deutschen Reichs. Die DDR sollte in die weltpolitische Isolation getrieben werden, war jedoch auch selbst bestrebt darin, sich vom westlichen Deutschland abzugrenzen.
Die 1949 festgelegte innerdeutsche Grenze wurde ab 1952 systematisch abgeriegelt, ein relativ unkontrollierter Übergang von Ost nach West war danach nur noch in Berlin möglich. Im August 1961, im vierten Monat des Eichmann-Prozesses, schloss die DDR-Regierung mit dem Bau der Mauer in Berlin schließlich das letzte Schlupfloch, das zuvor mutmaßlich über zwei Millionen Ostdeutschen zur Flucht in den Westteil der Stadt gedient hatte. Jegliche Hoffnung, die Trennung der beiden deutschen Staaten könnte eine vorübergehende Erscheinung bleiben, wurde damit zerschlagen. Vielmehr wurde die deutsche Teilung mit dem Bau der Mauer für die kommenden Jahre endgültig zementiert. Die Berliner Mauer wurde zum Sinnbild des Kalten Krieges. Die Auswirkungen der deutsch-deutschen Systemkonkurrenz zeigten sich jedoch auch im Umgang mit der NS-Vergangenheit und damit auch in der jeweiligen Berichterstattung über den Eichmann-Prozess.
Der Umgang mit der NS-Vergangenheit
in den beiden deutschen Staaten
Der Umgang mit
der NS-Vergangenheit
in den beiden
deutschen Staaten
Die Frage nach dem überlegenen System wurde in den beiden deutschen Staaten auch anhand der Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit zu beantworten versucht. Die DDR bewarb ihre Gründung als Sieg des Kommunismus über den Faschismus und verortete ihren Staat in der antifaschistischen Tradition der Sowjetunion. Sie sah sich somit nicht als Nachfolgestaat des Dritten Reichs. Nach einer kurzen, aber intensiven Phase der Entnazifizierung galt die Bevölkerung in der DDR gesamtheitlich entlastet. Die Bundesrepublik hingegen übernahm die Rechtsnachfolge des Deutschen Reichs und zeigte sich somit auch zu Entschädigungs- und Wiedergutmachungszahlungen bereit. Die personelle Entnazifizierung des Landes wurde jedoch nach Gründung der Bundesrepublik kaum noch verfolgt. Im Nationalsozialismus begangene Straftaten wie Todschlagdelikte und Beihilfe zum Mord waren zudem ab Mai 1960 verjährt.
In beiden Teilen Deutschlands sahen sich viele Bürger*innen nach dem Krieg weniger als Täter*innen, denn als Opfer – insbesondere der alliierten Siegerjustiz. Nach dem Krieg war es in sämtlichen Besatzungszonen zu Verurteilungen von Kriegsverbrecher*innen gekommen. Auch um die Bundesrepublik als wichtige Bündnispartnerin im Kalten Krieg zu gewinnen, begnadigten die westlichen Siegermächte jedoch viele Verurteilte bereits nach kurzer Zeit wieder. Einige vormalige Nationalsozialisten bekleideten in der Bundesrepublik sogar hohe öffentliche Ämter, was von der DDR scharf kritisiert wurde.
In der Bundesrepublik kam es mit dem sogenannten Ulmer Einsatzgruppenprozess 1958 zu einem ersten großen Gerichtsverfahren gegen NS-Verbrecher. Um weitere NS-Täter juristisch ahnden zu können, wurde 1958 zudem die Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg gegründet. Deren Ermittlungsergebnisse trugen maßgeblich dazu bei, dass von 1963 an die Frankfurter Auschwitzprozesse geführt werden konnten. Der Prozess gegen Adolf Eichmann fiel genau in die Zeit, in der die Bundesrepublik begann, sich mit ihrer NS-Vergangenheit gerichtlich auseinanderzusetzen.

Die Person
Adolf Eichmann
Die Person
Adolf Eichmann
Otto Adolf Eichmann wurde am 19. März 1906 als Sohn des Buchhalters Karl Adolf Eichmann und seiner Frau Maria im rheinländischen Solingen geboren. Er wuchs zunächst in Solingen und später im österreichischen Linz auf. Dort besuchte er für einige Jahre die Oberrealschule, an welcher er jedoch keinen Bildungsabschluss erzielte. Im Anschluss arbeitete er zunächst in einem Bergbaubetrieb und später als Reisevertreter des Mineralkonzerns Vacuum Oil Company, welcher ihn jedoch 1933 aus wirtschaftlichen Gründen entließ.
Bereits 1932 trat Eichmann der österreichischen Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) und der Schutzstaffel (SS) bei. 1933 zog Eichmann nach Bayern, wo er nicht nur eine paramilitärische Ausbildung durch die SS erhielt, sondern auch eine Anstellung beim Sicherheitsdienst (SD) des Reichsführers SS. Innerhalb weniger Jahre stieg er vom einfachen Angestellten zum Leiter der Zentralstelle für jüdische Auswanderung in Wien und Prag auf, sowie zum Geschäftsführer der Anfang 1939 gegründeten Reichszentrale für jüdische Auswanderung in Berlin.
1940 wurde er zum Leiter des Referats IV B 4 ,Auswanderung und Räumungʻ im Reichssicherheitshauptamt ernannt, welches 1941 in Judenangelegenheiten, Räumungsangelegenheiten umbenannt wurde. Er war maßgeblich dafür verantwortlich, die Deportationen von europäischen Jüd*innen in die Ghettos, Konzentrationslager und Vernichtungsorte zu organisieren. Am 20. Januar 1942 nahm er an der von ihm mitorganisierten „Wannsee-Konferenz“ teil, auf der die „Endlösung der Judenfrage“ besprochen wurde. Als im Mai 1945 der Zweite Weltkrieg in Europa durch die Alliierten beendet wurde, nahmen US-amerikanische Soldaten den mittlerweile zum Obersturmbannführer beförderten Eichmann am 12. Mai 1945 auf einer Alm bei Altaussee im Salzkammergut fest.
Zunächst im Kriegsgefangenenlager interniert, floh Eichmann 1946 und tauchte als Otto Heninger in der Lüneburger Heide unter, wo er unter anderem als Waldarbeiter tätig war. 1950 floh er über Italien nach Argentinien, wo er unter dem Namen Ricardo Klement lebte. Zwei Jahre später folgten ihm seine Ehefrau und seine Kinder nach Argentinien.
Im Mai 1960 wurde Eichmann vom israelischen Geheimdienst nach Israel entführt, um dort vor Gericht gestellt zu werden. Nach dem Verfahren in Jerusalem wurde er in der Nacht zum 1. Juni 1962 hingerichtet.

Die Vorgeschichte zum Prozess
Die Vorgeschichte
zum Prozess
Mitte der 1950er Jahre erhielt der israelische Geheimdienst einen Hinweis auf den Aufenthaltsort des früheren SS-Obersturmbannführers Adolf Eichmann. Der Tipp kam vom hessischen Staatsanwalt Fritz Bauer, der sich an Israel wandte, weil er befürchtete, dass rechte Netzwerke bzw. ehemalige Nationalsozialisten im bundesdeutschen Justizsystem Eichmann vor einer bevorstehenden Verhaftung warnen würden. Eichmann wurde schließlich am Abend des 11. Mai 1960 in einem Vorort von Buenos Aires auf offener Straße entführt und nach Israel gebracht. Die unrechtmäßige Festnahme hatte eine diplomatische Krise zur Folge und bot Kritiker*innen des Prozesses einen Anlass, die Zuständigkeit des israelischen Gerichts in Zweifel zu ziehen.
Der israelische Premierminister David Ben-Gurion gab am 23. Mai 1960 in einer Rede vor dem israelischen Parlament die Festnahme von Eichmann sowie seine Anklage nach dem „Gesetz zur Bestrafung von Nazis und ihren Helfern“ bekannt. Zur Vorbereitung des Prozesses recherchierte eine speziell hierfür eingerichtete Polizeieinheit Dokumente, suchte Zeug*innen und verhörte den Angeklagten. Während des Prozesses wurde mehrfach auf dieses Verhör verwiesen und Polizeihauptmann Avner Less, der die Befragung durchgeführt hatte, spielte in seiner Zeugenaussage auch Ausschnitte aus den Tonbandaufnahmen vor.
Generalstaatsanwalt Gideon Hausner zielte mit seiner Anklage nicht nur darauf, Eichmann Straftaten nachzuweisen, die dieser während der Zeit des Nationalsozialismus begangen hatte. Der Prozess sollte vielmehr die Vernichtung der europäischen Jüd*innen in seiner Ganzheit in den Blick nehmen und damit der Weltöffentlichkeit vor Augen führen, welchen Verbrechen jüdische Menschen ausgesetzt waren. Um ihre schrittweise Entrechtung bis hin zum industriellen Massenmord zu verdeutlichen, wählte Hausner rund hundert Überlebende des Holocaust aus, die im Prozess als Zeug*innen über das Unrechtssystem aussagten.
Der Prozess
Der Prozess
Der Prozess, der am 11. April 1961 begann, fand vor einer Sonderkammer des Bezirksgerichts Jerusalem unter dem Vorsitz von Richter Moshe Landau statt. Beisitzer waren die Richter Benjamin Halevi und Yitzhak Raveh. Die Anklage führte Generalstaatsanwalt Gideon Hausner, der unter anderem von Anwalt Gabriel Bach und Staatsanwalt Jaakov Bar-Or unterstützt wurde. Eichmanns Verteidiger war der Kölner Anwalt Robert Servatius, der bereits im Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess sowie in mehreren Nachfolgeprozessen als Verteidiger aufgetreten war. Zu Verhandlungsbeginn legte Servatius Einspruch gegen die Zuständigkeit des israelischen Gerichts ein, wobei er neben Eichmanns unrechtmäßiger Verhaftung auch anführte, dass der Staat Israel zur Zeit der Straftaten noch gar nicht bestanden hatte und er darüber hinaus an der Unvoreingenommenheit der Richter zweifelte. Sein Einspruch wurde abgelehnt.
Die Anklage umfasste insgesamt 15 Punkte, welche sich in die Kategorien Verbrechen gegen das jüdische Volk, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und Mitgliedschaft in einer verbrecherischen Organisation unterteilen lassen. Eichmann bekannte sich in allen 15 Anklagepunkten als „nicht schuldig“.
Für die Beweisaufnahme wurden mehr als hundert Zeug*innen in den Zeugenstand gerufen, die Land für Land über das Unrechtssystem berichteten, dem sie ausgeliefert waren. Zudem wurden mehr als tausend Dokumente vorgelegt, die Eichmanns Rolle in der nationalsozialistischen Vernichtungsmaschinerie belegten, darunter auch die Interviews, die Willem Sassen in Argentinien mit Eichmann geführt hatte. Auch wenn die Aussagen der Zeug*innen in der Regel nicht dazu beitrugen, Eichmann Straftaten nachzuweisen, hinterließen die erschütternden Schilderungen persönlich erlebten Leids tiefen Eindruck.
Nach der Beweisaufnahme vernahm Eichmanns Verteidiger Servatius den Angeklagten, wobei seine Strategie darin bestand, Eichmann als Befehlsempfänger darzustellen. Dabei sorgte insbesondere Eichmanns administrativer Sprachgebrauch für Irritationen. Hieran schloss sich ein Kreuzverhör durch den Generalstaatsanwalt Hausner an, der vergeblich versuchte, Eichmann ein Schuldbekenntnis zu entlocken. Zuletzt vernahmen die drei Richter den Angeklagten, denen gegenüber Eichmann eingestand, dass es ihm an Zivilcourage gemangelt habe. Die Hauptverhandlung endete nach den Schlussplädoyers am 14. August 1961. Im Dezember kam das Gericht wieder zur Urteilsverkündung zusammen, wobei die Richter Eichmann in allen Punkten für schuldig erklärten. Am 15. Dezember 1961 wurde schließlich das Strafmaß bekanntgegeben, das in der Todesstrafe bestand. Servatius legte zwar Berufung ein, doch im Berufungsverfahren wurde das Urteil im Mai 1962 bestätigt. In der Nacht zum 1. Juni 1962 wurde Eichmann im Gefängnis in Jerusalem gehängt.



Der Eichmann-Prozess als Medienereignis
Der Eichmann-Prozess als medienereignis
Die internationale Presse verfolgte den Prozess gegen Eichmann mit großem Interesse. Neben den rund fünfhundert Journalist*innen aus aller Welt nahmen auch prominente Schriftsteller*innen, Historiker*innen und Publizist*innen als Beobachter*innen am Medienereignis in Jerusalem teil. Die bekannteste Vertreterin war sicherlich Hannah Arendt, deren „Bericht von der Banalität des Bösen“ zwei Jahre nach dem Prozess im New Yorker publiziert wurde.
Im Gerichtsgebäude befand sich ein Pressezentrum, das den Journalist*innen optimale Arbeitsbedingungen bot und mit allen Technologien zur Nachrichtenübertragung ausgestattet war. So standen ihnen Fernschreiber zur Übertragung von Textnachrichten zur Verfügung und sie konnten die Verhandlungen auf Tonbandgeräten mitschneiden. Zudem wurde der Prozess vollständig auf Video aufgenommen und das Material an alle interessierten Fernseh- und Wochenschaugesellschaften abgegeben.
Während der israelische Rundfunk die Verhandlungen live im Radio übertrug, fassten ausländische Journalist*innen – darunter auch diejenigen aus der Bunderepublik und der DDR – den Prozessverlauf teilweise täglich für ihre Zuhörer*innen zusammen. Auch von den Videoaufnahmen machten die Medien in Ost- und Westdeutschland Gebrauch. So waren die Bilder aus dem Gerichtssaal in der ostdeutschen Nachrichtensendung Aktuelle Kamera zu sehen und es kamen lange Ausschnitte des Videomaterials in der bundesdeutschen Sondersendung Eine Epoche vor Gericht zum Einsatz. Auch die ostdeutsche Sendung Der Schwarze Kanal und die westdeutsche Diskussionsrunde Internationaler Frühschoppen sowie die Kinowochenschauen in beiden deutschen Staaten beschäftigten sich mit dem Eichmann-Prozess.
Die Printmedien berichteten ebenfalls regelmäßig über das Verfahren. Insgesamt hatten sich fünfzig bundesdeutsche Journalisten akkreditiert, um vor Ort am Prozess teilzunehmen, darunter auch Korrespondenten von überregionalen Zeitungen und Magazinen wie Die Zeit, Der Spiegel oder der Frankfurter Allgemeine Zeitung. Für die DDR lieferten Kurt Goldstein, Max Kahane und Gerhard Leo zahlreiche Beiträge fürs Radio, Fernsehen sowie für ostdeutsche Zeitungen wie die Berliner Zeitung, das Neue Deutschland und die Neue Zeit.
Westdeutsche Medienlandschaft
Anfang der 1960er Jahre gab es in der Bundesrepublik ungefähr 150 Presseerzeugnisse. Neben lokalen und regionalen Tageszeitungen wurden auch überregionale Wochenzeitungen oder Nachrichtenmagazine mit unterschiedlichen politischen Ausrichtungen vertrieben. So war die Frankfurter Allgemeine Zeitung eine bürgerlich-konservative Tageszeitung, die Wochenzeitung Die Zeit galt als liberales Blatt und der linksliberale Spiegel profilierte sich als investigatives Wochenmagazin.
Die Organisation des Rundfunks geht auf die Medienpolitik der Alliierten zurück, die in jeder Besatzungszone bzw. jedem Bundesland eine Rundfunkanstalt gründeten. Diese waren auch für das Fernsehen zuständig, das im Dezember 1952 seinen Sendebetrieb (wieder) aufnahm. Das Programm setzte sich aus den Sendungen der verschiedenen Rundfunkanstalten der Länder zusammen, die in der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) zusammengeschlossen waren. So steuerte beispielsweise der Norddeutsche Rundfunk (NDR) die Tagesschau und der Westdeutsche Rundfunk (WDR) den Internationalen Frühschoppen zum Gesamtprogramm bei. Bis das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) am 1. April 1963 seinen Betrieb aufnahm, gab es nur einen Sender und bis zur Einführung des Farbfernsehens (25.08.1967) waren alle Sendungen schwarzweiß. Die Verbreitung von privaten Fernsehgeräten war zur Zeit des Eichmann-Prozesses noch relativ gering: lediglich knapp sechs Millionen Haushalte besaßen 1963 ein solches Gerät. Gesendet wurde nicht rund um die Uhr, sondern in der Regel erst ab dem späten Nachmittag, wobei das Programmangebot aus einer Mischung von Informations- und Unterhaltungssendungen bestand.
Seit Anfang der 1950er Jahre strahlten Hörfunk und Fernsehen beispielsweise jeden Sonntagmittag die Diskussionssendung Internationaler Frühschoppen aus. Moderiert von Werner Höfer diskutierten sechs Journalist*innen aus fünf Ländern bei Wein, Bier und Zigaretten aktuelle politische Themen. Die Live-Sendung, in der frei und unzensiert Argumente ausgetauscht wurden, führte den Zuhörer- und Zuschauer*innen das demokratische Ideal der jungen Bundesrepublik vor Augen. Dass der Internationale Frühschoppen den politischen Leitideen der Bundesrepublik entsprach, zeigte sich auch in der Auswahl der Gäste – und dem Ausschluss von DDR-Journalist*innen. Der internationale Flair des Frühschoppen signalisierte zudem die Überwindung der bundesdeutschen Isolation nach dem verlorenen Weltkrieg, die erneute Einbindung in die westliche Staatenwelt und die Wiederaufnahme von Dialogen mit Ländern, denen Deutschland kurz zuvor noch feindlich gegenüber gestanden hatte. Aufgrund des konservativen Moderators wurde die Sendung zwar vielfach kritisiert, sie blieb aber bis in die 1980er Jahre im bundesdeutschen Fernsehen eine feste Größe. Als Der Spiegel im Dezember 1987 die NS-Vergangenheit von Werner Höfer aufdeckte, wurde die Sendung eingestellt.
Für das bundesdeutsche Fernsehen übernahm der NDR die Berichterstattung über den Eichmann-Prozess. Hierfür waren die beiden Journalisten Joachim Besser und Peter Schier-Gribowsky mit einem Kamerateam nach Jerusalem entsandt worden, um während der gesamten Dauer des Prozesses zweimal pro Woche in der 20-30-minütigen Sondersendung Eine Epoche vor Gericht über die Ereignisse in Israel zu berichten. Die insgesamt 36 Folgen wurden zwischen April und August 1961 sowie an vier weiteren Abenden im Dezember und im Mai 1962 direkt nach der Tagesschau, also zur besten Sendezeit, ausgestrahlt und erreichten durchschnittlich fünfzig Prozent – die ersten vier Folgen sogar sechzig Prozent – des westdeutschen Fernsehpublikums. Die Sendereihe nutzte die Videoaufnahmen, die im Auftrag der israelischen Regierung im Gerichtssaal gemacht und weltweit vertrieben wurden. Zudem führten die beiden Korrespondenten Interviews mit internationalen Prozessbeobachter*innen, jungen Israelis, deutschen Emigrant*innen und Überlebenden des Holocaust auf der Straße oder in einem behelfsmäßigen Studio.
Die Berichterstattung in der westdeutschen Presse
Die westdeutsche Presse berichtete ausführlich über den Eichmann-Prozess, wobei eine Auswertung der Zeitungen Die Zeit, Der Spiegel und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) verschiedene Themenschwerpunkte erkennen lässt. Vor Prozessbeginn diskutierte die Presse zunächst über die Rechtmäßigkeit von Eichmanns Verhaftung und die Zuständigkeit des israelischen Gerichts. Die FAZ hielt es beispielsweise für „wünschenswert, wenn Eichmann unter deutscher Zuständigkeit nach deutschem Recht abgeurteilt werden könnte“ (FAZ 25.05.1960) und setzte sich mit der Frage auseinander, ob Eichmann in Israel ein Schauprozess drohe (FAZ 27.05.1960). Die Zeit plädierte hingegen für einen internationalen Gerichtshof (Die Zeit 17.06.1960) und Der Spiegel wunderte sich über den Umstand, dass „aus einem krassen Unrechtsakt […] wie durch ein Wunder Recht hervorgehen“ soll (Der Spiegel 15.06.1960).
Schilderungen aus dem Gerichtssaal, die mit Prozessbeginn in der Presse zu lesen waren, vermischten sich darüber hinaus immer wieder mit Stellungnahmen zum sich zuspitzenden Kalten Krieg. So befürchtete die FAZ schon im Vorfeld des Prozesses eine propagandistische Diskreditierung der Bundesrepublik durch „kommunistische Agitatoren“ (FAZ 28.02.1961) und äußerte sich wenige Wochen später empört darüber, dass die Sowjetunion und die DDR den Eichmann-Prozess nutzten, um die Bundesrepublik bzw. ihre „braunen Würdeträger“ anzugreifen (FAZ 02.05.1961). Auch Der Spiegel konstatierte, dass die „Einheitsmeinung“ des Ostblocks darin bestehe, auf die „Nazis in Bonn“ hinzuweisen (Der Spiegel 27.12.1961). Die Zeit führte hingegen schon vor Prozessbeginn ein Interview mit Hans Globke, gegen den sich die Kritik aus dem Osten richtete, und sprach mit ihm über seine Tätigkeit während der Zeit des Nationalsozialismus (Die Zeit 17.02.1961). Darüber hinaus stellte sie die Frage, wie es sein kann, „daß in Westdeutschland in manchen Amtsstuben und hinter manchem Richtertisch noch Repräsentanten jener Epoche, die in Jerusalem vor Gericht steht, in Amt und Würden sind“ (Die Zeit 16.06.1961). Mit ihrer Forderung, „die Reste des Schutts“ auszuräumen, „die aus jenen Tagen hie und da im Gefüge unseres Staates hängengeblieben sind“ (Die Zeit 16.06.1961) knüpfte sie an einen Vorwurf der DDR an, diskutierte diesen jedoch im Hinblick auf das internationale Ansehen der Bundesrepublik – das einen weiteren Themenkomplex der Berichterstattung darstellte.
Die Angst, der Eichmann-Prozess könne dem Ansehen der Bundesrepublik schaden, wurde nicht zuletzt von Bundeskanzler Adenauer am Vorabend des Prozesses geäußert (FAZ 10.04.1961). Die Zeit befürchtete sogar, dass die Deutschen im Kontext des Prozesses „vor ein Weltgericht treten müssen“ (Die Zeit 17.03.1961). Daher registrierte die Presse sorgfältig die Meldungen über den Prozess im Ausland, um erleichtert zu berichten, dass die erwarteten Reaktionen ausblieben (Die Zeit 12.05.1961). Dennoch war auch von einer im Ausland herrschenden „Deutschlandfeindlichkeit“ zu lesen. (FAZ 29.12.1961).


Presseraum außerhalb des Gerichtssaals, 1961
Staatliches Fotoarchiv Israel
Ostdeutsche Medienlandschaft
Das ostdeutsche Informationswesen stand unter zentralistischer Lenkung der SED, die mit dem Presseamt über ein umfassendes Anleitungs- und Kontrollsystem verfügte. 15 der 39 Tageszeitungen in der DDR standen 1961 sogar unter der direkten Kontrolle der SED, darunter das Neue Deutschland, die Berliner Zeitung sowie die Organe der beiden Massenorganisationen FDJ (Junge Welt) und FDGB (Tribüne). Um ihre geplante Linie in der Presse durchzusetzen, nutzte die SED Lenkungsmechanismen, zu denen die detaillierte Vorgabe der Medieninhalte an die Chef-Redakteur*innen als auch die Auslese und Ausbildung von parteigetreuen Journalist*innen gehörten. Auch der Rundfunk und das Fernsehen, das 1952 auf Sendung ging, standen unter staatlicher Kontrolle. Von Anfang an sollte der deutsch-deutsche Systemkampf auch mittels gezielt inszenierter Sendungen im Deutschen Fernsehfunk ausgetragen werden.
Ein wichtiges audiovisuelles Sprachrohr der SED war die Nachrichtensendung Aktuelle Kamera, die ab Oktober 1952 täglich ausgestrahlt und 1960 von mehr als einer Millionen Menschen geschaut wurde. Die Beiträge bezogen sich auf die DDR und auf aktuelle (welt-)politische Nachrichten, wobei keine kritischen Stimmen zum eigenen System vorkamen, während der vermeintliche Klassengegner – vornehmlich die Bundesrepublik – ausschließlich negativ dargestellt wurde.
Für die Berichterstattung über den Eichmann-Prozess hatte die SED drei Journalisten nach Israel entsandt (Kurt Goldstein, Max Kahane und Gerhard Leo), die sowohl für die Presse Beiträge lieferten, als auch für die Nachrichtensendungen im Hörfunk und Fernsehen. In der Aktuellen Kamera wurden die Prozessereignisse in der Regel in ein bis anderthalb Minuten zusammengefasst, wobei zur Illustration Videoaufnahmen aus dem Gerichtssaal zur sehen waren. Häufig wurde im selben Bericht bzw. in einem anderen Beitrag derselben Nachrichtensendung vor einer Renazifizierung der Bundesrepublik gewarnt. Dabei wurde insbesondere die NS-Vergangenheit von hohen Persönlichkeiten hervorgehoben, beispielsweise von Hans Globke, der zu jener Zeit Chef des Bundeskanzleramts war.
Um eine weite Verbreitung des Fernsehens zu gewährleisten, unterstützte die SED die fernsehtechnische Erschließung der DDR. Der Abbau technischer Hindernisse war jedoch nicht nur Segen für die SED, denn es gelang nicht, den Empfang von westdeutschen Fernsehprogrammen in Ostdeutschland zu unterbinden. Das Westfernsehen erreichte sogar ganze 80 Prozent des ostdeutschen Gebietes. Für das Informations- und Meinungsmonopol der SED bedeutete der nicht zu verhindernde Empfang des Westfernsehens eine enorme Bedrohung.
Um dem Westfernsehen entgegenzuwirken, startete am 21. März 1960 Der schwarze Kanal, eine Sendung, die in den darauffolgenden fast drei Jahrzehnten wie keine andere den Kalten Krieg im Äther symbolisieren sollte. Das mit der Abbildung eines verfremdeten Bundesadlers eingeleitete Polit-Magazin lief jeweils montags zwischen 21:25 und 21:50. Autor und Moderator der Sendung war Karl-Eduard von Schnitzler, ein parteitreuer Journalist, der die Welt dichotom in Freund und Feind, in Gut und Böse einteilte. Das Konzept des Schwarzen Kanal bestand darin, dem Publikum sorgfältig ausgesuchte Bildbeiträge aus dem Westfernsehen zu präsentieren, das polemisch als „Schwarzer Kanal“ bezeichnet wurde, weil es – wie ein Abwasserkanal – Unrat mit sich führe, und mittels polemischer Kommentare die „Lügen“ des Westens zu entlarven. Nicht selten wurde hierfür der Internationale Frühschoppen herangezogen. In den verschiedenen Sendungen, die sich mit dem Eichmann-Prozess beschäftigten, empörte sich Schnitzler nicht nur über die Redebeiträge der Frühschoppen-Gäste, er kritisierte auch die Sendung Eine Epoche vor Gericht, um anschließend über den Antifaschismus der DDR zu dozieren.
Die Berichterstattung in der ostdeutschen Presse
Die Auswertung der von der SED herausgegebenen Tageszeitungen Neues Deutschland und Berliner Zeitung sowie der von der Ost-CDU herausgegebenen Neue Zeit zeigt, dass die Artikel über den Eichmann-Prozess immer Teil einer antiwestlichen Kampagne waren. Die Bundesrepublik mit ihrem Regierungssitz in Bonn wurde gezielt als faschistischer, imperialistischer und militärischer Nachfolgestaat des sogenannten Dritten Reiches diskreditiert. So dienten folgende Schlagzeilen als Aufmacher:
„Bonner Naziungeist schadet Deutschland. Erklärung des Nationalrates der Nationalen Front zum Eichmann-Prozeß“ (Neues Deutschland, 08.04.1961)
„Der Henkersknecht des deutschen Imperialismus“ (Neues Deutschland, 11.04.1961)
„Die Blutspur führt nach Bonn“ (Berliner Zeitung, 03.05.1961)
Zahlreiche Angriffe wurden zudem gegen die Beschäftigung ehemaliger NS-Funktionsträger in der Bundesregierung erhoben:
„Deutscher Freiheitssender 904 stellt Komplicen Eichmanns an den Pranger. Globke, Seebohm, Abs gehören hinter Gitter!“ (Neues Deutschland, 30.05.1960)
„Bonn fürchtet Eichmann-Prozeß. Ehemalige Mitkämpfer des Mörders agieren eifrig hinter den Kulissen“ (Neues Deutschland, 11.06.1960)
„387 führende Bonner Nazis in Panik. Eichmann will ihre Namen und Verbrechen vor Gericht bekanntgeben“ (Neues Deutschland, 14.02.1961)
„Bonn befiehlt Eichmann Schweigen und verspricht ihm dafür Hilfe.“ „Wir kämpfen und hoffen, daß er durchhält und bei der Stange bleibt“ (Neues Deutschland, 13.04.1961)
„Die Verbindlichkeit wich der Eiseskälte. Bonner Nazis, Diplomaten und Monopole auf der Anklagebank im Eichmann-Prozeß“ (Neues Deutschland, 20.04.1961)
Konkret erhob die ostdeutsche Presse wiederholt Vorwürfe gegen Hans Globke, den damaligen Chefs des Bundeskanzleramtes:
„Auch Globke steht vor Gericht. Am Dienstag beginnt der Eichmann-Prozeß“ (Neue Zeit, 09.04.1961)
„Globke gehört neben Eichmann! Schweigemarsch in Tel Aviv — Heute Prozeßbeginn in Jerusalem — Bonn in Furcht“ (Neue Zeit, 11.04.1961)
„Judenmörder Eichmann steht vor Gericht. Heute Prozeßbeginn in Jerusalem / Komplice Globke noch immer Staatssekretär in Bonn / WN fordert Bestrafung“ (Berliner Zeitung, 11.04.1961)
„Kein Eichmann ohne Globke“ (Neue Zeit, 11.04.1961)
Allerdings war in der DDR-Presse auch bald Kritik am israelischen Gerichtsverfahren zu lesen. Es konzentriere sich zu sehr auf die Person Eichmanns und benenne kaum weitere Täter:
„Im Gerichtssaal erwarteten alle den Namen Globke. Nürnberger Rassengesetze im Eichmann-Prozeß behandelt“ (Berliner Zeitung, 26.04.1961)
„Warum Globkes Name nicht fällt. Neue Fakten und Zusammenhänge im Eichmann-Prozeß belasten Adenauers Intimus“ (Neues Deutschland, 26.04.1961)
„Eichmann-Verteidigung nennt Globke als Zeugen. Sensation in Jerusalem — Britisches Dokument beweist die Zusammenarbeit der beiden Judenmörder“ (Neue Zeit, 28.04.1961)
„Warum nennt die Anklage nur tote Mörder? Aber Globke ist aus dem Eichmann-Prozeß nicht zu verbannen“ (Neues Deutschland, 30.04.1961)
In der DDR galt Globke als Paradebeispiel für die personellen Kontinuitäten zwischen dem NS-Regime und der BRD. Er hatte bereits in der NS-Zeit eine steile Beamtenkarriere im Reichsinnenministerium absolviert und war nach 1949 von Konrad Adenauer in das neugeschaffene Bundeskanzleramt berufen worden.
Zunächst waren die Meldungen über den Prozessverlauf fast täglich auf den ersten Seiten der DDR-Zeitungen zu finden. Die meisten Meldungen finden sich zu Beginn des Prozesses im April bis Juni 1961. Im Mai und Juni fiel der Name Globkes auch mehrmals im Prozess, was immer wieder für Schlagzeilen in der ostdeutschen Presse sorgte.
„Globkes Name fällt im Massenmordprozeß“ (Neues Deutschland, 13.05.1961)
„Ring um Globke verengt sich. Adenauers Staatssekretär abermals im Eichmann-Prozeß genannt“ (Neues Deutschland, 17.05.1961)
„Eichmann nennt Globke. Sensation in Jerusalem — These „Ohne Globke kein Eichmann“ bestätigt“ (Neue Zeit, 22.06.1961)
„In Jerusalem fiel wieder der Name Globke. Zum zweiten Male in zwei Tagen belastete Eichmann den Kanzler-Intimus“ (Neue Zeit, 23.06.1961)
„Massenmörder Eichmann“ „Ich führte die Befehle Globkes aus“ (Neues Deutschland, 23.06.1961)
„Eichmann-Prozeß stellt immer wieder Globke bloß“ (Berliner Zeitung, 24.06.1961)
Danach sank das Interesse am Prozess kontinuierlich und es wurde bis zur Hinrichtung Eichmanns kaum noch berichtet. Dies lässt sich auch dadurch erklären, dass das SED-Regime mit anderen Problemen beschäftigt war, wie beispielsweise den täglich steigenden Flüchtlingszahlen, dem Bau der Berliner Mauer im August 1961 und der anschließenden Berlin-Krise mit der Panzerkonfrontation am Checkpoint Charlie.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der eigentliche Inhalt und der Verlauf des Prozesses bei der ostdeutschen Presseberichterstattung weitestgehend in den Hintergrund traten. Vielmehr nutzte die DDR-Führung den Prozess dazu, die Bundesrepublik öffentlich zu diskreditieren. Die DDR präsentierte sich dagegen als das bessere, antifaschistische Deutschland. In der Auseinandersetzung mit dem Eichmann-Prozess spiegelt sich somit die Praxis der Ausblendung und Abspaltung der NS-Vergangenheit durch die DDR wider.
Westdeutsche Medienlandschaft
Anfang der 1960er Jahre gab es in der Bundesrepublik ungefähr 150 Presseerzeugnisse. Neben lokalen und regionalen Tageszeitungen wurden auch überregionale Wochenzeitungen oder Nachrichtenmagazine mit unterschiedlichen politischen Ausrichtungen vertrieben. So war die Frankfurter Allgemeine Zeitung eine bürgerlich-konservative Tageszeitung, die Wochenzeitung Die Zeit galt als liberales Blatt und der linksliberale Spiegel profilierte sich als investigatives Wochenmagazin.
Die Organisation des Rundfunks geht auf die Medienpolitik der Alliierten zurück, die in jeder Besatzungszone bzw. jedem Bundesland eine Rundfunkanstalt gründeten. Diese waren auch für das Fernsehen zuständig, das im Dezember 1952 seinen Sendebetrieb (wieder) aufnahm. Das Programm setzte sich aus den Sendungen der verschiedenen Rundfunkanstalten der Länder zusammen, die in der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) zusammengeschlossen waren. So steuerte beispielsweise der Norddeutsche Rundfunk (NDR) die Tagesschau und der Westdeutsche Rundfunk (WDR) den Internationalen Frühschoppen zum Gesamtprogramm bei. Bis das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) am 1. April 1963 seinen Betrieb aufnahm, gab es nur einen Sender und bis zur Einführung des Farbfernsehens (25.08.1967) waren alle Sendungen schwarzweiß. Die Verbreitung von privaten Fernsehgeräten war zur Zeit des Eichmann-Prozesses noch relativ gering: lediglich knapp sechs Millionen Haushalte besaßen 1963 ein solches Gerät. Gesendet wurde nicht rund um die Uhr, sondern in der Regel erst ab dem späten Nachmittag, wobei das Programmangebot aus einer Mischung von Informations- und Unterhaltungssendungen bestand.
Seit Anfang der 1950er Jahre strahlten Hörfunk und Fernsehen beispielsweise jeden Sonntagmittag die Diskussionssendung Internationaler Frühschoppen aus. Moderiert von Werner Höfer diskutierten sechs Journalist*innen aus fünf Ländern bei Wein, Bier und Zigaretten aktuelle politische Themen. Die Live-Sendung, in der frei und unzensiert Argumente ausgetauscht wurden, führte den Zuhörer- und Zuschauer*innen das demokratische Ideal der jungen Bundesrepublik vor Augen. Dass der Internationale Frühschoppen den politischen Leitideen der Bundesrepublik entsprach, zeigte sich auch in der Auswahl der Gäste – und dem Ausschluss von DDR-Journalist*innen. Der internationale Flair des Frühschoppen signalisierte zudem die Überwindung der bundesdeutschen Isolation nach dem verlorenen Weltkrieg, die erneute Einbindung in die westliche Staatenwelt und die Wiederaufnahme von Dialogen mit Ländern, denen Deutschland kurz zuvor noch feindlich gegenüber gestanden hatte. Aufgrund des konservativen Moderators wurde die Sendung zwar vielfach kritisiert, sie blieb aber bis in die 1980er Jahre im bundesdeutschen Fernsehen eine feste Größe. Als Der Spiegel im Dezember 1987 die NS-Vergangenheit von Werner Höfer aufdeckte, wurde die Sendung eingestellt.
Für das bundesdeutsche Fernsehen übernahm der NDR die Berichterstattung über den Eichmann-Prozess. Hierfür waren die beiden Journalisten Joachim Besser und Peter Schier-Gribowsky mit einem Kamerateam nach Jerusalem entsandt worden, um während der gesamten Dauer des Prozesses zweimal pro Woche in der 20-30-minütigen Sondersendung Eine Epoche vor Gericht über die Ereignisse in Israel zu berichten. Die insgesamt 36 Folgen wurden zwischen April und August 1961 sowie an vier weiteren Abenden im Dezember und im Mai 1962 direkt nach der Tagesschau, also zur besten Sendezeit, ausgestrahlt und erreichten durchschnittlich fünfzig Prozent – die ersten vier Folgen sogar sechzig Prozent – des westdeutschen Fernsehpublikums. Die Sendereihe nutzte die Videoaufnahmen, die im Auftrag der israelischen Regierung im Gerichtssaal gemacht und weltweit vertrieben wurden. Zudem führten die beiden Korrespondenten Interviews mit internationalen Prozessbeobachter*innen, jungen Israelis, deutschen Emigrant*innen und Überlebenden des Holocaust auf der Straße oder in einem behelfsmäßigen Studio.
Ostdeutsche Medienlandschaft
Das ostdeutsche Informationswesen stand unter zentralistischer Lenkung der SED, die mit dem Presseamt über ein umfassendes Anleitungs- und Kontrollsystem verfügte. 15 der 39 Tageszeitungen in der DDR standen 1961 sogar unter der direkten Kontrolle der SED, darunter das Neue Deutschland, die Berliner Zeitung sowie die Organe der beiden Massenorganisationen FDJ (Junge Welt) und FDGB (Tribüne). Um ihre geplante Linie in der Presse durchzusetzen, nutzte die SED Lenkungsmechanismen, zu denen die detaillierte Vorgabe der Medieninhalte an die Chef-Redakteur*innen als auch die Auslese und Ausbildung von parteigetreuen Journalist*innen gehörten. Auch der Rundfunk und das Fernsehen, das 1952 auf Sendung ging, standen unter staatlicher Kontrolle. Von Anfang an sollte der deutsch-deutsche Systemkampf auch mittels gezielt inszenierter Sendungen im Deutschen Fernsehfunk ausgetragen werden.
Ein wichtiges audiovisuelles Sprachrohr der SED war die Nachrichtensendung Aktuelle Kamera, die ab Oktober 1952 täglich ausgestrahlt und 1960 von mehr als einer Millionen Menschen geschaut wurde. Die Beiträge bezogen sich auf die DDR und auf aktuelle (welt-)politische Nachrichten, wobei keine kritischen Stimmen zum eigenen System vorkamen, während der vermeintliche Klassengegner – vornehmlich die Bundesrepublik – ausschließlich negativ dargestellt wurde.
Für die Berichterstattung über den Eichmann-Prozess hatte die SED drei Journalisten nach Israel entsandt (Kurt Goldstein, Max Kahane und Gerhard Leo), die sowohl für die Presse Beiträge lieferten, als auch für die Nachrichtensendungen im Hörfunk und Fernsehen. In der Aktuellen Kamera wurden die Prozessereignisse in der Regel in ein bis anderthalb Minuten zusammengefasst, wobei zur Illustration Videoaufnahmen aus dem Gerichtssaal zur sehen waren. Häufig wurde im selben Bericht bzw. in einem anderen Beitrag derselben Nachrichtensendung vor einer Renazifizierung der Bundesrepublik gewarnt. Dabei wurde insbesondere die NS-Vergangenheit von hohen Persönlichkeiten hervorgehoben, beispielsweise von Hans Globke, der zu jener Zeit Chef des Bundeskanzleramts war.
Um eine weite Verbreitung des Fernsehens zu gewährleisten, unterstützte die SED die fernsehtechnische Erschließung der DDR. Der Abbau technischer Hindernisse war jedoch nicht nur Segen für die SED, denn es gelang nicht, den Empfang von westdeutschen Fernsehprogrammen in Ostdeutschland zu unterbinden. Das Westfernsehen erreichte sogar ganze 80 Prozent des ostdeutschen Gebietes. Für das Informations- und Meinungsmonopol der SED bedeutete der nicht zu verhindernde Empfang des Westfernsehens eine enorme Bedrohung.
Um dem Westfernsehen entgegenzuwirken, startete am 21. März 1960 Der schwarze Kanal, eine Sendung, die in den darauffolgenden fast drei Jahrzehnten wie keine andere den Kalten Krieg im Äther symbolisieren sollte. Das mit der Abbildung eines verfremdeten Bundesadlers eingeleitete Polit-Magazin lief jeweils montags zwischen 21:25 und 21:50. Autor und Moderator der Sendung war Karl-Eduard von Schnitzler, ein parteitreuer Journalist, der die Welt dichotom in Freund und Feind, in Gut und Böse einteilte. Das Konzept des Schwarzen Kanal bestand darin, dem Publikum sorgfältig ausgesuchte Bildbeiträge aus dem Westfernsehen zu präsentieren, das polemisch als „Schwarzer Kanal“ bezeichnet wurde, weil es – wie ein Abwasserkanal – Unrat mit sich führe, und mittels polemischer Kommentare die „Lügen“ des Westens zu entlarven. Nicht selten wurde hierfür der Internationale Frühschoppen herangezogen. In den verschiedenen Sendungen, die sich mit dem Eichmann-Prozess beschäftigten, empörte sich Schnitzler nicht nur über die Redebeiträge der Frühschoppen-Gäste, er kritisierte auch die Sendung Eine Epoche vor Gericht, um anschließend über den Antifaschismus der DDR zu dozieren.


Die Berichterstattung in der ostdeutschen Presse
Die Auswertung der von der SED herausgegebenen Tageszeitungen Neues Deutschland und Berliner Zeitung sowie der von der Ost-CDU herausgegebenen Neue Zeit zeigt, dass die Artikel über den Eichmann-Prozess immer Teil einer antiwestlichen Kampagne waren. Die Bundesrepublik mit ihrem Regierungssitz in Bonn wurde gezielt als faschistischer, imperialistischer und militärischer Nachfolgestaat des sogenannten Dritten Reiches diskreditiert. So dienten folgende Schlagzeilen als Aufmacher:
„Bonner Naziungeist schadet Deutschland. Erklärung des Nationalrates der Nationalen Front zum Eichmann-Prozeß“ (Neues Deutschland, 08.04.1961)
„Der Henkersknecht des deutschen Imperialismus“ (Neues Deutschland, 11.04.1961)
„Die Blutspur führt nach Bonn“ (Berliner Zeitung, 03.05.1961)
Zahlreiche Angriffe wurden zudem gegen die Beschäftigung ehemaliger NS-Funktionsträger in der Bundesregierung erhoben:
„Deutscher Freiheitssender 904 stellt Komplicen Eichmanns an den Pranger. Globke, Seebohm, Abs gehören hinter Gitter!“ (Neues Deutschland, 30.05.1960)
„Bonn fürchtet Eichmann-Prozeß. Ehemalige Mitkämpfer des Mörders agieren eifrig hinter den Kulissen“ (Neues Deutschland, 11.06.1960)
„387 führende Bonner Nazis in Panik. Eichmann will ihre Namen und Verbrechen vor Gericht bekanntgeben“ (Neues Deutschland, 14.02.1961)
„Bonn befiehlt Eichmann Schweigen und verspricht ihm dafür Hilfe.“ „Wir kämpfen und hoffen, daß er durchhält und bei der Stange bleibt“ (Neues Deutschland, 13.04.1961)
„Die Verbindlichkeit wich der Eiseskälte. Bonner Nazis, Diplomaten und Monopole auf der Anklagebank im Eichmann-Prozeß“ (Neues Deutschland, 20.04.1961)
Konkret erhob die ostdeutsche Presse wiederholt Vorwürfe gegen Hans Globke, den damaligen Chefs des Bundeskanzleramtes:
„Auch Globke steht vor Gericht. Am Dienstag beginnt der Eichmann-Prozeß“ (Neue Zeit, 09.04.1961)
„Globke gehört neben Eichmann! Schweigemarsch in Tel Aviv — Heute Prozeßbeginn in Jerusalem — Bonn in Furcht“ (Neue Zeit, 11.04.1961)
„Judenmörder Eichmann steht vor Gericht. Heute Prozeßbeginn in Jerusalem / Komplice Globke noch immer Staatssekretär in Bonn / WN fordert Bestrafung“ (Berliner Zeitung, 11.04.1961)
„Kein Eichmann ohne Globke“ (Neue Zeit, 11.04.1961)
Allerdings war in der DDR-Presse auch bald Kritik am israelischen Gerichtsverfahren zu lesen. Es konzentriere sich zu sehr auf die Person Eichmanns und benenne kaum weitere Täter:
„Im Gerichtssaal erwarteten alle den Namen Globke. Nürnberger Rassengesetze im Eichmann-Prozeß behandelt“ (Berliner Zeitung, 26.04.1961)
„Warum Globkes Name nicht fällt. Neue Fakten und Zusammenhänge im Eichmann-Prozeß belasten Adenauers Intimus“ (Neues Deutschland, 26.04.1961)
„Eichmann-Verteidigung nennt Globke als Zeugen. Sensation in Jerusalem — Britisches Dokument beweist die Zusammenarbeit der beiden Judenmörder“ (Neue Zeit, 28.04.1961)
„Warum nennt die Anklage nur tote Mörder? Aber Globke ist aus dem Eichmann-Prozeß nicht zu verbannen“ (Neues Deutschland, 30.04.1961)
In der DDR galt Globke als Paradebeispiel für die personellen Kontinuitäten zwischen dem NS-Regime und der BRD. Er hatte bereits in der NS-Zeit eine steile Beamtenkarriere im Reichsinnenministerium absolviert und war nach 1949 von Konrad Adenauer in das neugeschaffene Bundeskanzleramt berufen worden.
Zunächst waren die Meldungen über den Prozessverlauf fast täglich auf den ersten Seiten der DDR-Zeitungen zu finden. Die meisten Meldungen finden sich zu Beginn des Prozesses im April bis Juni 1961. Im Mai und Juni fiel der Name Globkes auch mehrmals im Prozess, was immer wieder für Schlagzeilen in der ostdeutschen Presse sorgte.
„Globkes Name fällt im Massenmordprozeß“ (Neues Deutschland, 13.05.1961)
„Ring um Globke verengt sich. Adenauers Staatssekretär abermals im Eichmann-Prozeß genannt“ (Neues Deutschland, 17.05.1961)
„Eichmann nennt Globke. Sensation in Jerusalem — These „Ohne Globke kein Eichmann“ bestätigt“ (Neue Zeit, 22.06.1961)
„In Jerusalem fiel wieder der Name Globke. Zum zweiten Male in zwei Tagen belastete Eichmann den Kanzler-Intimus“ (Neue Zeit, 23.06.1961)
„Massenmörder Eichmann“ „Ich führte die Befehle Globkes aus“ (Neues Deutschland, 23.06.1961)
„Eichmann-Prozeß stellt immer wieder Globke bloß“ (Berliner Zeitung, 24.06.1961)
Danach sank das Interesse am Prozess kontinuierlich und es wurde bis zur Hinrichtung Eichmanns kaum noch berichtet. Dies lässt sich auch dadurch erklären, dass das SED-Regime mit anderen Problemen beschäftigt war, wie beispielsweise den täglich steigenden Flüchtlingszahlen, dem Bau der Berliner Mauer im August 1961 und der anschließenden Berlin-Krise mit der Panzerkonfrontation am Checkpoint Charlie.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der eigentliche Inhalt und der Verlauf des Prozesses bei der ostdeutschen Presseberichterstattung weitestgehend in den Hintergrund traten. Vielmehr nutzte die DDR-Führung den Prozess dazu, die Bundesrepublik öffentlich zu diskreditieren. Die DDR präsentierte sich dagegen als das bessere, antifaschistische Deutschland. In der Auseinandersetzung mit dem Eichmann-Prozess spiegelt sich somit die Praxis der Ausblendung und Abspaltung der NS-Vergangenheit durch die DDR wider.
Die Berichterstattung in der westdeutschen Presse
Die westdeutsche Presse berichtete ausführlich über den Eichmann-Prozess, wobei eine Auswertung der Zeitungen Die Zeit, Der Spiegel und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) verschiedene Themenschwerpunkte erkennen lässt. Vor Prozessbeginn diskutierte die Presse zunächst über die Rechtmäßigkeit von Eichmanns Verhaftung und die Zuständigkeit des israelischen Gerichts. Die FAZ hielt es beispielsweise für „wünschenswert, wenn Eichmann unter deutscher Zuständigkeit nach deutschem Recht abgeurteilt werden könnte“ (FAZ 25.05.1960) und setzte sich mit der Frage auseinander, ob Eichmann in Israel ein Schauprozess drohe (FAZ 27.05.1960). Die Zeit plädierte hingegen für einen internationalen Gerichtshof (Die Zeit 17.06.1960) und Der Spiegel wunderte sich über den Umstand, dass „aus einem krassen Unrechtsakt […] wie durch ein Wunder Recht hervorgehen“ soll (Der Spiegel 15.06.1960).
Schilderungen aus dem Gerichtssaal, die mit Prozessbeginn in der Presse zu lesen waren, vermischten sich darüber hinaus immer wieder mit Stellungnahmen zum sich zuspitzenden Kalten Krieg. So befürchtete die FAZ schon im Vorfeld des Prozesses eine propagandistische Diskreditierung der Bundesrepublik durch „kommunistische Agitatoren“ (FAZ 28.02.1961) und äußerte sich wenige Wochen später empört darüber, dass die Sowjetunion und die DDR den Eichmann-Prozess nutzten, um die Bundesrepublik bzw. ihre „braunen Würdeträger“ anzugreifen (FAZ 02.05.1961). Auch Der Spiegel konstatierte, dass die „Einheitsmeinung“ des Ostblocks darin bestehe, auf die „Nazis in Bonn“ hinzuweisen (Der Spiegel 27.12.1961). Die Zeit führte hingegen schon vor Prozessbeginn ein Interview mit Hans Globke, gegen den sich die Kritik aus dem Osten richtete, und sprach mit ihm über seine Tätigkeit während der Zeit des Nationalsozialismus (Die Zeit 17.02.1961). Darüber hinaus stellte sie die Frage, wie es sein kann, „daß in Westdeutschland in manchen Amtsstuben und hinter manchem Richtertisch noch Repräsentanten jener Epoche, die in Jerusalem vor Gericht steht, in Amt und Würden sind“ (Die Zeit 16.06.1961). Mit ihrer Forderung, „die Reste des Schutts“ auszuräumen, „die aus jenen Tagen hie und da im Gefüge unseres Staates hängengeblieben sind“ (Die Zeit 16.06.1961) knüpfte sie an einen Vorwurf der DDR an, diskutierte diesen jedoch im Hinblick auf das internationale Ansehen der Bundesrepublik – das einen weiteren Themenkomplex der Berichterstattung darstellte.
Die Angst, der Eichmann-Prozess könne dem Ansehen der Bundesrepublik schaden, wurde nicht zuletzt von Bundeskanzler Adenauer am Vorabend des Prozesses geäußert (FAZ 10.04.1961). Die Zeit befürchtete sogar, dass die Deutschen im Kontext des Prozesses „vor ein Weltgericht treten müssen“ (Die Zeit 17.03.1961). Daher registrierte die Presse sorgfältig die Meldungen über den Prozess im Ausland, um erleichtert zu berichten, dass die erwarteten Reaktionen ausblieben (Die Zeit 12.05.1961). Dennoch war auch von einer im Ausland herrschenden „Deutschlandfeindlichkeit“ zu lesen. (FAZ 29.12.1961).
Zur Auswahl des Fernsehmaterials
Die unterschiedlichen Ansätze der Berichterstattung im ost- und westdeutschen Fernsehen zeigten sich bereits in den Formaten der Sendungen zum Eichmann-Prozess: Das westdeutsche Fernsehen konnte mit seiner Sendereihe Eine Epoche vor Gericht, die zweimal pro Woche jeweils 20 bis 30 Minuten aus Israel berichtete, viel ausführlicher auf den Prozess eingehen, als das ostdeutsche Fernsehen, das die Ereignisse vor Gericht lediglich in kurzen Beiträgen der Nachrichtensendung Aktuelle Kamera (AK) zusammenfasste.
Vor allem resultierten die Unterschiede jedoch aus der politischen Bedeutung, die dem Prozess in beiden deutschen Staaten zukam. Die DDR sah ihn als Möglichkeit, die Bundesrepublik aufgrund ihrer unzureichenden Aufarbeitung der NS-Vergangenheit zu diskreditieren. So behauptete das ostdeutsche Fernsehen beispielsweise, dass Eichmanns Rechtsanwalt aus geheimen Quellen dafür bezahlt werde, Aussagen gegen ranghohe Bundesbürger zu verhindern (AK, 13.10.1960 und 07.04.1961), und den Richtern wurde vorgeworfen, mit ihrer Prozessführung dafür zu sorgen, dass keine NS-Täter in der Bundesrepublik belastet werden (AK 27. und 28.04.1961). Im Zentrum der Kritik stand jedoch Hans Globke, der fast in jedem ostdeutschen Nachrichtenbeitrag über den Prozess erwähnt wurde. Als Globke dem westdeutschen Fernsehen Auskunft über seine Tätigkeit in der Zeit des Nationalsozialismus gab, schnitt Der schwarze Kanal (15.05.1961) vier unterschiedliche Teile des Interviews so zusammen, dass seine Aussage schließlich wie ein Geständnis klang. Beim aufmerksamen Betrachten ist die Manipulation jedoch zu erkennen.
Für die Bundesrepublik war der Eichmann-Prozess hingegen eine Möglichkeit, ihre internationale Reputation auszuloten. Daher verwundert es nicht, dass in Eine Epoche vor Gericht Korrespondenten über die Wahrnehmung des Prozesses im Ausland berichteten, ausländische Journalist*innen für Gespräche ins Fernsehstudio kamen und Israelis über ihre Haltung zu ‚den Deutschen‘ befragt wurden. Die Sendereihe führte ihren Zuschauer*innen jedoch vor allem die Verbrechen an den europäischen Jüd*innen vor Augen, indem sie lange Ausschnitte aus den Aussagen der Zeug*innen präsentierte, die vor Gericht von grausamen Erlebnissen berichteten.
Die Anordnung des hier ausgewählten Materials ist im Großen und Ganzen chronologisch. Die Vorberichterstattung ist nur vom ostdeutschen Fernsehen erhalten, mit Prozessbeginn liegen dann Sendungen aus beiden deutschen Staaten vor. Von den rund fünfzig Zeugenaussagen, die in Eine Epoche vor Gericht in Ausschnitten zu sehen waren, haben wir diejenigen ausgewählt, von denen sich die Fernsehjournalisten besonders beeindruckt zeigten. Während den Schilderungen der Zeug*innen im westdeutschen Fernsehen viel Raum gegeben wurde, fasste der Nachrichtensprecher der ostdeutschen Aktuellen Kamera die Aussagen lediglich knapp zusammen.
Die Pressekonferenz von DDR-Anwalt Karl Friedrich Kaul, der als Prozessbeobachter nach Israel gereist war, um dort erneut Vorwürfe gegen Globke zu erheben, stellte einen Höhepunkt des deutsch-deutschen Konflikts über den Umgang mit der Vergangenheit dar und wurde in Eine Epoche vor Gericht (04.05.1961) scharf kritisiert. Allerdings zeigt sich, dass auch das westdeutsche Fernsehen Kritik an der mangelnden juristischen Aufarbeitung der NS-Verbrechen übte. Eine Epoche vor Gericht suchte sogar das Wohnhaus eines NS-Täters auf (07.07.1961) und machte damit von einem journalistischen Verfahren Gebrauch, das auch im ostdeutschen Fernsehen zur Anwendung kam (z. B. AK 25.05.1961).
Über die Vernehmung von Eichmann wurde ebenfalls sehr unterschiedlich berichtet. Während sich das westdeutsche Fernsehen ausführlich mit Eichmanns Auftreten, Sprachgebrauch und Verteidigungsstrategie beschäftigte, gab es im ostdeutschen Fernsehen nur noch sporadisch Meldungen aus Israel. Nachdem klar geworden war, dass Globke nicht zu Fall gebracht werden konnte, und mit dem Bau der Berliner Mauer andere Themen in den Vordergrund rückten, schien die DDR das Interesse am Eichmann-Prozess verloren zu haben. Erst über die Urteilsverkündung und das Berufungsverfahren berichtete das ostdeutsche Fernsehen wieder regelmäßig.
Mit Ausschnitten aus den Sendungen:
Aktuelle Kamera
Aktuelle Kamera, 13. Oktober 1960
Aktuelle Kamera, 2. Februar 1961
Aktuelle Kamera, 7. April 1961
Aktuelle Kamera, 19. April 1961
Aktuelle Kamera, 21. April 1961
Aktuelle Kamera, 27. April 1961
Aktuelle Kamera, 28. April 1961
Aktuelle Kamera, 29. April 1961
Aktuelle Kamera, 2. Mai 1961
Aktuelle Kamera, 3. Mai 1961
Aktuelle Kamera, 4. Mai 1961
Aktuelle Kamera, 9. Mai 1961
Aktuelle Kamera, 17. Mai 1961
Aktuelle Kamera, 25. Mai 1961
Aktuelle Kamera, 1. Juni 1962
Aktuelle Kamera, 8. Juni 1961
Aktuelle Kamera, 9. Juni 1960
Aktuelle Kamera, 13. Juni 1961
Aktuelle Kamera, 20. Juni 1961
Aktuelle Kamera, 22. Juni 1961
Aktuelle Kamera, 11. Dezember 1961
Aktuelle Kamera, 14. Dezember 1961
Aktuelle Kamera, 15. Dezember 1961
Der schwarze Kanal
Der schwarze Kanal, 1. Mai 1961
Der schwarze Kanal, 13. Juni 1960
Der schwarze Kanal, 15. Mai 1961
Der schwarze Kanal, 19. Juni 1961
Eine Epoche vor Gericht
Eine Epoche vor Gericht, 18. April 1961
Eine Epoche vor Gericht, 20. April 1961
Eine Epoche vor Gericht, 25. April 1961
Eine Epoche vor Gericht, 27. April 1961
Eine Epoche vor Gericht, 2. Mai 1961
Eine Epoche vor Gericht, 4. Mai 1961
Eine Epoche vor Gericht, 12. Mai 1961
Eine Epoche vor Gericht, 16. Mai 1961
Eine Epoche vor Gericht, 18. Mai 1961
Eine Epoche vor Gericht, 23. Mai 1961
Eine Epoche vor Gericht, 26. Mai 1961
Eine Epoche vor Gericht, 2. Juni 1961
Eine Epoche vor Gericht, 13. Juni 1961
Eine Epoche vor Gericht, 23. Juni 1961
Eine Epoche vor Gericht, 27. Juni 1961
Eine Epoche vor Gericht, 4. Juli 1961
Eine Epoche vor Gericht, 7. Juli 1961
Eine Epoche vor Gericht, 9. Mai 1961
Eine Epoche vor Gericht, 14. Juli 1961
Kurzbiografien der in der Berichterstattung über den Eichmann-Prozess genannten Personen
A Konrad Adenauer wurde 1876 in Köln geboren. Er studierte Jura und trat 1905 der Deutschen Zentrumspartei bei. Von 1917 bis 1933 war er Oberbürgermeister von Köln. Von den Nationalsozialisten seines Amtes enthoben, lebte er bis zum Kriegsende zurückgezogen im Rheinland. 1946 war er einer der Mitbegründer der Christlich Demokratischen Union (CDU) und von 1949 bis 1963 erster Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Er starb 1967 in Rhöndorf bei Bonn.
B Gabriel Bach wurde 1927 in Halberstadt geboren. 1938 emigrierter er mit seiner Familie zunächst nach Amsterdam und 1940 nach Palästina. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs studierte er am Londoner University College Jura und trat ab 1953 in den Dienst der Staatsanwaltschaft in Israel. 1961 arbeitete er gemeinsam mit Jaakov Bar-Or als Assistent des Generalstaatsanwalts Gideon Hausner, der im Eichmann-Prozess die Klägerseite vertrat. 1969 wurde er zum Generalstaatsanwalt berufen; 1982 zum Richter am Obersten Gerichtshof Israel, wo er bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1997 tätig war.
Stepan Bandera wurde 1909 in Galizien, Österreich-Ungarn geboren. Er war Mitglied der „Organisation Ukrainischer Nationalisten“ und gehörte dort dem radikalen Flügel an. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs arbeitete er zunächst mit der Deutschen Abwehr zusammen, rief 1941 aber einen unabhängigen ukrainischen Staat aus, woraufhin er im KZ Sachsenhausen inhaftiert wurde. 1946 flüchtete er vor dem sowjetischen Geheimdienst nach München. Er wurde 1959 in München ermordet, wobei die DDR den Verdacht schürte, dass der westdeutsche Vertriebenenminister Theodor Oberländer in den Mord verwickelt sei, weil Bandera aus seiner Zeit bei der Deutschen Abwehr belastendes Material besitzen würde.
Jaakov Bar-Or wurde 1916 (bzw. 1915, die Angaben variieren) als Jakob Breuer in Frankfurt am Main geboren. Gemeinsam mit seiner Familie emigrierte er 1936 nach Palästina, wo er ab 1943 als Anwalt tätig war und unter anderem zum Distriktstaatsanwalt in Tel Aviv ernannt wurde. 1961 arbeitete er gemeinsam mit Gabriel Bach als Assistent des Generalstaatsanwalts Gideon Hausner, der im Eichmann-Prozess die Klägerseite vertrat. Später vertrat Bar-Or darüber hinaus den israelischen Staat in der Generalversammlung der Vereinten Nationen. Er starb 2008 in Jerusalem.
Kurt Becher wurde 1909 in Hamburg geboren. 1944 war er in Ungarn als Sonderbeauftragter des Reichsführer SS für die Ausrüstung der Waffen-SS zuständig. Außerdem war er an den Verhandlungen „Jüdisches Blut gegen Ware“, bei welchen die Freigabe ungarischer Jüd*innen gegen 10.000 Lastwagen und Vorräte verhandelt wurden, beteiligt. Am 9. April 1945 wurde er zum Reichssonderkommissar für sämtliche Konzentrationslager ernannt. Nach 1945 arbeitete er unter anderem als Leiter der Bremer Getreide- und Futtermittelbörse. Er starb 1995 in Bremen.
Joachim Besser wurde 1913 geboren. Ab 1949 war Besser zunächst als Redakteur und später auch als Chefreporter für die überregionale Tageszeitung Die Welt tätig, die er Anfang der 1960er Jahre verließ er. In der Folge war er als Moderator für das politische Fernsehmagazin Panorama tätig und von 1962 bis 1970 als Chefredakteur beim Kölner Stadt-Anzeiger. Anschließend führte Besser seine Arbeit als freier Journalist bis zu seinem Tode 1977 fort.
Klaus Bölling wurde 1928 in Potsdam geboren. Sein Vater war preußischer Beamter, wurde im NS aber aus dem Staatsdienst entlassen, seine Mutter stammte aus einer jüdischen Familie. Nach Kriegsende arbeitete er zunächst als Redakteur beim West-Berliner Tagesspiegel, bevor er Kommentator für den amerikanischen Rundfunk wurde und schließlich zum Westdeutschen Rundfunk nach Köln wechselte. Er war Leiter des ARD-Studios in Washington und Intendant von Radio Bremen. 1974 übernahm er das Amt des Regierungssprechers, das er (mit kurzer Unterbrechung) bis 1982 innehatte. Er starb 2014 in Berlin.
Hajnalka „Hansi“ Brand (geb. Hartmann) wurde am 26. August 1912 in Budapest geboren. Bereits während ihrer Schulzeit schloss sie sich einer zionistischen Jugendbewegung und später einem Pionierdorf an, das jüdische Jugendliche auf die Emigration nach Palästina vorbereitete. Sie war ein führendes Mitglied der zionistischen Untergrundbewegung „Waada Ezra we Hazalah“ (Rat für Hilfe und Rettung), die es sich ab 1942 zur Aufgabe gemacht hatte, ungarische Jüd*innen vor der Vernichtung zu bewahren. Nach der Besetzung Ungarns durch das Deutsche Reich im März 1944 waren sie und ihr Mann wichtige Akteur*innen in den Verhandlungen mit den Nationalsozialisten. Dazu zählten auch die Gespräche mit Adolf Eichmann über den Tausch jüdischer Menschen gegen Lastwagen und Vorräte. Als ihr Mann im Mai 1944 von der britischen Armee für mehrere Monate interniert wurde, übernahm sie gemeinsam mit Rudolf Kasztner die weiteren Verhandlungen mit Eichmann, durch die sie die Rettung mehrerer tausend Menschen erreichen konnten. Hansi Brand starb 2000 in Tel Aviv.
Joel Brand wurde 1906 in Naszód in Siebenbürgen geboren und wuchs als Sohn deutschsprachiger Ungaren in Erfurt auf. Bereits in den 1920er Jahren war er in zionistischen und linksgerichteten Organisationen aktiv. 1934 emigrierte Brand nach Ungarn, um einer Verfolgung durch das NS-Regime zu entgehen. In Budapest wurde er führendes Mitglied der zionistischen Untergrundbewegung „Waada Ezra we Hazalah“ (Rat für Hilfe und Rettung), die es sich zur Aufgabe gemacht hatte, ungarische Jüd*innen vor der Vernichtung zu bewahren. Nach der deutschen Besetzung Ungarns im März 1944 waren er und seine Frau Hansi wichtige Akteur*innen in den Verhandlungen mit den Nationalsozialisten. Dazu zählten auch die Gespräche mit Adolf Eichmann über den Tausch von einer Million jüdischer Menschen gegen 10.000 Lastwagen und Vorräte (Blut gegen Ware), wobei Eichmann in Aussicht stellte, bei Vertragsabschluss mit der ,Lieferungʻ von 100.000 Jüd*innen in Vorleistung zu gehen. Um mit den Alliierten und der zionistischen Führung zu verhandeln und so das Leben vieler ungarischer Jüd*innen zu retten, flog Brand im Mai 1944 nach Istanbul, doch die Verhandlungen scheiterten und Brand wurde von der britischen Armee für mehrere Monate interniert. Nach dem Krieg emigrierte er zunächst nach Israel, bevor er sich 1956 als Schriftsteller in Frankfurt am Main niederließ. 1964 starb Joel Brand überraschend an einem Herzinfarkt.
D Hendrik George van Dam wurde 1906 als Sohn einer großbürgerlichen Familie jüdischen Glaubens in Berlin geboren. Der promovierte Rechtswissenschaftler floh 1940 über die Niederlande nach England, wo er während des Krieges interniert wurde. 1945 kehrte er nach Deutschland zurück. Als sich 1950 der „Zentralrat der Juden“ in Deutschland gründete, übernahm van Dam das Amt des Generalsekretärs und wurde damit zu einer der zentralen politischen Figuren im deutsch-jüdischen Leben der Nachkriegszeit. Er starb 1972 in Düsseldorf.
Yehiel De-Nur wurde 1909 als Yehiel Feiner in Sosnowiec im heutigen Polen geboren. Er studierte an der Jeschiwa in Lublin und veröffentlichte jiddische Gedichte. Er wurde ins KZ Auschwitz deportiert und publizierte nach Kriegsende unter der Verwendung seiner Häftlingsnummer als „Ka-Tsetnik 135633“ über den Holocaust. In seinen Werken, die groteske Folterszenen, sexuelle Perversionen und Kannibalismus beschreiben, ist die Grenze zwischen Realität und Fiktion fließend. Seine früheren Veröffentlichungen versuchte er zu vernichten. De-Nur emigrierte 1945 nach Palästina. Beim Eichmann-Prozess sorgte er für Aufsehen, weil er im Zeugenstand das Bewusstsein verlor und aus dem Gerichtssaal getragen werden musste. In den 1970er Jahren erhielt er eine LSD-Behandlung, um sein Trauma zu therapieren. De-Nur starb 2001 in Tel Aviv.
G Hans Maria Globke wurde 1898 in Düsseldorf geboren. Obwohl er kein Mitglied der NSDAP war, war er an der Ausarbeitung antisemitischer Gesetze beteiligt. Dazu zählen das Erbgesundheits- und das Blutschutzgesetz, die Ehen oder sexuelle Beziehungen zwischen deutschen Staatsbürger*innen und Jud*innen verboten, das Personenstandsgesetz, das die Kennzeichnung der Pässe von Jüd*innen mit einem J. zur Folge hatte, und das Namensänderungsgesetz, nach dem Jüd*innen den zweiten Vornamen „Sara“ oder „Israel“ annehmen mussten. Zudem formulierte er eine Empfehlung zum Nachweis der „erbbiologischen Ehe-Eignung“ von Frauen aus Böhmen und Mähren, auf die Das aktuelle Interview anspielt. Ab 1950 war er Ministerialdirektor und Leiter der Hauptabteilung für innere Angelegenheiten im Bundeskanzleramt. Ab 1953 war er der Staatssekretär von Bundeskanzler Konrad Adenauer, der trotz aller Vorwürfe gegen Globke an ihm festhielt. Nach Adenauers Rücktritt im Oktober 1963, ging Globke in Pension. Er starb 1973 in Bad Godesberg.
Kurt Goldstein wurde 1914 in Scharnhorst geboren. 1932 wurde er wegen kommunistischer Umtriebe der Schule verwiesen. 1933 flüchtete Goldstein vor einer drohenden Verhaftung durch das NS-Regime zunächst nach Luxemburg, dann nach Palästina. 1936 kämpfte er als Interbrigadist im Spanischen Bürgerkrieg. Nach dem Sieg Francos 1939 wurde er in verschiedenen französischen Lagern interniert, bevor er 1942 an das Deutsche Reich ausgeliefert und in das KZ Auschwitz deportiert wurde. Goldstein überlebte 1945 den Todesmarsch nach Buchenwald und engagierte sich nach Kriegsende politisch für die KPD bzw. die 1946 gegründete SED. 1951 siedelte er in die DDR über, wo er zunächst für das Zentralkomitee der SED arbeitete, bevor er 1956 eine Stellung beim Rundfunk der DDR erhielt und sich fortan vorrangig als Journalist betätigte. Von 1969 bis 1971 war er Intendant des Deutschlandsenders, von 1971 bis 1978 Intendant der Stimme der DDR. Er starb 2007 in Berlin.
Heinrich Karl Ernst Grüber wurde 1891 in Stolberg im Rheinland geboren. Der Theologe und Pfarrer trat 1933 in die NSDAP ein, wandte sich jedoch noch im selben Jahr gegen die nationalsozialistischen Ideen. Im Frühjahr 1934 übernahm Grüber eine Pfarrstelle in Berlin-Kaulsdorf, wo er sich der Bekennenden Kirche anschloss. 1938 gründete er die „Kirchliche Hilfsstelle für evangelische Nichtarier“, die illegale Hilfe für rassistisch Verfolgte leistete, weshalb ihn die Gestapo im Dezember 1940 zunächst im KZ Sachsenhausen und später im KZ Dachau inhaftierte. Unter der Auflage, seine Hilfstätigkeiten zukünftig zu unterlassen, konnte er im Juni 1943 das Lager verlassen. Nach Kriegsende übernahm Grüber das Amt des Propstes an der Kirche St. Marien in Ost-Berlin, jedoch nur bis zum Bau der Berliner Mauer 1961, da ihm danach die Einreise in die DDR verwehrt blieb. Er war der einzige deutsche Zeuge, der im Eichmann-Prozess zu den Verbrechen der Nationalsozialisten befragt wurde. Grüber setzte sich zeitlebens für die christlich-jüdische Verständigung ein. Er starb 1975 in West-Berlin.
H Benjamin Halevi wurde 1910 als Ernst Levi in Weißenfels geboren. Er studierte Jura in Freiburg, Göttingen und Berlin und wurde 1933 promoviert. Im selben Jahr emigrierte er nach Palästina, wo er 1938 als erster deutscher Einwanderer zum Amtsrichter ernannt wurde. 1948 wurde er Präsident des Jerusalemer Bezirksgerichts, ab 1963 zudem Mitglied des Obersten Gerichts. Als Beisitzer war er einer der drei Richter im Eichmann-Prozess. Er starb 1996.
Gideon Hausner wurde 1915 in Lemberg geboren. Er emigrierte 1927 in das britische Mandatsgebiet Palästina und studierte Philosophie und Jura in Jerusalem. Nach der israelischen Staatsgründung 1948 wurde er Militärstaatsanwalt und Präsident des Militärgerichtshofes, 1960 wurde er zum Generalstaatsanwalt ernannt. Im Eichmannprozess fungierte er als Hauptankläger. 1963 gab er das Amt des Generalstaatsanwalts auf und wechselte in die Politik, wo er für die unabhängige liberale Partei in den folgenden Jahrzehnten verschiedene Ämter bekleidete. Er starb 1990 in Jerusalem.
Reinhard Heydrich wurde 1904 in Halle/Saale geboren. 1931 trat er der NSDAP und der SS bei. Er war Leiter des Sicherheitsdienstes (SD) und der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) sowie später des Reichssicherheitshauptamts. 1938 beauftragte er Eichmann mit dem Aufbau einer Zentralstelle zur Verfolgung und Ausweisung von Juden in Wien. 1942 berief er die „Wannsee-Konferenz“ ein, auf der die Organisation des Massenmords an den europäischen Jüd*innen besprochen wurde. Er starb 1942 nach einem Attentat auf seine Person in Prag.
Rudolf Hirsch wurde 1907 in Krefeld geboren und war ein deutsch-jüdischer Schriftsteller und Publizist. 1931 trat er der Kommunistischen Partei bei. 1933 verließ er Deutschland vorübergehend, kehrte aber für die illegale Widerstandsarbeit zurück. 1937 emigrierte er endgültig und lebte bis zum Kriegsende in Palästina, wo er sich kritisch mit dem Zionismus auseinandersetzte. Nach seiner Rückkehr lebte er in der DDR, wo er als Gerichtsreporter arbeitete. Er war Autor der Broschüre „Globke und die Ausrottung der Juden“, in der Globke als geistiger Urheber des Holocaust dargestellt wird. Hirsch starb 1998 in Berlin.
Werner Höfer wurde 1913 in Kaisersesch geboren. Bekannt wurde Höfer vor allem durch die Diskussionsrunde Internationaler Frühschoppen des Westdeutschen Rundfunks, die er 25 Jahre lang moderierte, bevor er die Sendung 1987 aufgrund seiner öffentlich debattierten Vergangenheit als Journalist im Dienst der NS-Propaganda verlassen musste. Er starb 1997 in Köln.
Wilhelm Höttl wurde 1915 in Wien geboren. 1943 wurde er zum Leiter des Nachrichtendienstes im Amt VI des Reichssicherheitshauptamts ernannt. Ab 1944 war er im Stab höherer SS-Polizeiführer in Budapest, als dort die Verfolgung und schließlich die Deportationen der ungarischen Jüd*innen stattfanden. Höttl wurde im Mai 1945 auf einer Alm bei Altaussee im Salzkammergut festgenommen. In den folgenden Jahren war er für amerikanische und deutsche Geheimdienststellen tätig. Er starb 1999 in Altaussee.
Walter Huppenkothen wurde 1907 in Haan im Rheinland geboren. Er war ab Juli 1941 Gruppenleiter bei der Gestapo im Reichssicherheitshauptamt und wurde nach dem am 20. Juli 1944 gescheiterten Attentat auf Hitler Mitglied der eingerichteten Gestapo-„Sonderkommission 20. Juli 1944“. Nach Kriegsende geriet Huppenkothen in amerikanische Kriegsgefangenschaft. 1956 wurde er vom Bundesgerichtshof zu sechs Jahren Haft verurteilt. Nach seiner vorzeitigen Entlassung arbeitete er ab 1959 als Wirtschaftsjurist in Köln und starb 1979 in Lübeck.
K Max Kahane wurde 1910 in Hannover geboren. 1931 begann er ein Jura-Studium in Berlin, 1932 trat er der Kommunistischen Partei bei. Nach der nationalsozialistischen Machtergreifung 1933 engagierte er sich im europäischen Ausland im kommunistischen Widerstand. 1945 begann er in der sowjetischen Besatzungszone als Journalist für das Sowjetische Nachrichtenbüro zu arbeiten. Kahane wurde zu einem der Mitbegründer der DDR-Nachrichten- und Bildagentur, dem Allgemeinen Deutschen Nachrichtendienst (ADN). Am Eichmann-Prozess nahm er als Sonderkorrespondent des ADN teil und übernahm die Berichterstattung für das Neue Deutschland. 2004 starb er in Berlin.
Friedrich Karl Kaul wurde 1906 in Posen geboren. Ab 1925 studierte er Jura in Heidelberg und Berlin, 1931 wurde er promoviert. Nach der nationalsozialistischen Machtergreifung 1933 wurde er aufgrund seiner jüdischen Abstammung aus dem Justizdienst entlassen. 1935 wurde er wegen oppositioneller Tätigkeiten von der Gestapo verhaftet und im KZ Lichtenburg sowie später im KZ Dachau inhaftiert. Seine Entlassung war an eine sofortige Ausreise gebunden, die ihn nach Kolumbien, später nach Panama und Nicaragua führte. 1941/1942 wurde er in Nicaragua als feindlicher Ausländer inhaftiert und den USA überstellt, wo er bis Kriegsende in einem Lager in Texas interniert war. Nach dem Krieg remigrierte er nach Ost-Berlin und wurde Mitglied der KPD. Als Rechtsanwalt arbeitete er in beiden Teilen Berlins und trat mehrfach als Nebenkläger in NS-Prozessen auf. In den Frankfurter Auschwitzprozessen vertrat er die in der DDR lebenden Nebenkläger*innen. Kaul war in der DDR eine Person des öffentlichen Lebens. Er verfasste Bücher über seine Gerichtsprozesse, schrieb Kriminalromane, Hör- und Fernsehspiele und moderierte im DDR-Fernsehen seine eigene juristische Ratgeber-Sendung. Er starb 1981 in Ost-Berlin.
L Moshe Landau wurde 1912 in Danzig geboren. Nach dem Jura-Studium in London wanderte er 1933 in das britische Mandatsgebiet Palästina ein. 1953 bis 1982 war er Richter am Obersten Gerichtshof in Jerusalem. Im Eichmann-Prozess bekleidete Landau das Amt des Vorsitzenden Richters. 2011 starb er in Jerusalem.
Gerhard Leo wurde 1923 in Berlin geboren. Nach der nationalsozialistischen Machtergreifung 1933 emigrierte er mit seiner Familie nach Paris. Während des Kriegs nahm er eine französische Identität an und engagierte sich im Widerstand bei den „Forces françaises de l’intérieur“ und der Bewegung Freies Deutschland. Außerdem wurde er Mitglied der Kommunistischen Partei. 1954 emigrierte er in die DDR, wo er sich als Autor und Journalist betätigte und zeitweise auch als Korrespondent des Neuen Deutschlands im Ausland arbeitete. Am Eichmann-Prozess nahm Leo als Sonderkorrespondent des Allgemeinen Deutschen Nachrichtendienstes (ADN) teil und übernahm die Berichterstattung für die DDR-Presse. 2009 starb er in Berlin.
Avner Werner Less wurde 1916 in Berlin geboren. Nach 1933 flüchtete Less zunächst nach Frankreich und 1938 schließlich nach Palästina, wo er 1948 in den Staatsdienst des neugegründeten Landes Israel eintrat. Ab 1951 war er als Polizeioffizier in der Abteilung Wirtschaftsverbrechen beschäftigt. Von 1954 bis 1968 war Less zudem im Auslandsdienst als Attaché und Konsul tätig und vertrat Israel bei den Jahreskonferenzen der UNO-Rauschgift-Kommission (UNFDAC) in Genf und bei Interpol. Von 1960 bis 1961 leitete Less das Verhör Adolf Eichmanns in Jerusalem. 1964 trat er als Zeuge der Anklage in den Frankfurter Auschwitzprozessen auf. 1987 starb er in Zürich.
Ada Lichtmann (geb. Fischer) wurde 1915 in Jaroslau in Österreich-Ungarn geboren. Im Juni 1943 wurde sie von der SS in das Vernichtungslager Sobibór verschleppt. Während des Aufstands von Sobibór im Oktober 1943 gelang ihr die Flucht. 1950 emigrierte sie nach Israel. Ihre Geschichte, welche auch als Grundlage für den Film Flucht aus Sobibor diente, schilderte Lichtmann 1961 als Zeugin im Eichmann-Prozess. Sie starb 1993.
M Heinrich Müller wurde 1900 in München geboren. Er war Mitglied der NSDAP und der SS. 1939 wurde er Leiter der Abteilung IV (Geheime Staatspolizei) im Reichssicherheitshauptamt. 1942 nahm er an der „Wannsee-Konferenz“ teil, auf der die Organisation des Massenmords an den europäischen Jüd*innen besprochen wurde. Seit 1945 gilt er als verschollen.
Robert Mulka wurde 1895 in Hamburg geboren. Als Adjutant des Lagerkommandanten Rudolf Höß hat Mulka entscheidend an der Ermordung von Menschen im KZ Auschwitz mitgewirkt. Im Auschwitzprozess wurde er zu 14 Jahren Zuchthaus verurteilt. Davon saß er jedoch nur ein einziges Jahr ab, bevor er wegen Haftunfähigkeit frühzeitig entlassen wurde. Er starb 1969 in Hamburg.
Michael Angelo Musmanno wurde 1897 in Stowe, Pennsylvania geboren. Als die USA in den Zweiten Weltkrieg eintraten, wäre Musmanno aufgrund seines Richteramtes im Allegheny County vom Militärdienst befreit gewesen, er diente dennoch als Freiwilliger in der US Navy. Nach Kriegsende wurde Musmanno zum amerikanischen Militärgericht berufen, für das er an drei der Nürnberger Nachfolgeprozesse als Richter mitwirkte. Während seines Aufenthaltes in Deutschland betrieb er intensive Recherchen zu den Geschehnissen im Führerbunker und zu Hitlers Suizid im April 1945. Er starb 1968 in Pittsburgh.
O Theodor Oberländer wurde 1905 in Meiningen geboren. Er nahm 1923 am gescheiterten Putsch der NSDAP in München teil und trat 1933 der NSDAP bei. In den 1930er Jahren arbeitete er unter anderem als Professor für Landwirtschaftspolitik an der Technischen Hochschule Danzig, war als „Landesleiter Ostpreußen“ des „Volksbunds für das Deutschtum“ im Ausland und als Leiter des Bundes „Deutscher Osten“ tätig. Ab 1939 arbeitete er bei der Wehrmacht als Osteuropaexperte. Nach dem Zweiten Weltkrieg war er einer der Mitbegründer des „Bundes der Heimatvertriebenen und Entrechteten“ und arbeitete ab 1951 als Staatssekretär für Flüchtlingswesen in Bayern. Von 1953 bis 1960 war er im Kabinett Adenauer als Vertriebenenminister tätig. Im April 1960 wurde er in der DDR in Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt. Er starb 1998 in Bonn.
Alfred Oppenheimer wurde 1901 in der Stadt Metz, im damals deutschen Teil Lothringens, geboren. Im Juni 1943 wurde er von Luxemburg über Trier und Berlin in das KZ Theresienstadt deportiert, bevor er im September 1944 von der SS nach Auschwitz-Birkenau überstellt wurde. Anders als sein Sohn und seine Frau überlebte Oppenheimer die Inhaftierung im Konzentrationslager und sagte 1961 als Zeuge im Eichmann-Prozess in Jerusalem aus. Er starb 1993.
R Yitzhak Raveh wurde 1908 als Franz Reuß in Aurich geboren. Er studierte ab 1924 Jura in Berlin, wurde 1929 promoviert und war ab 1931 als Amtsrichter in Berlin-Charlottenburg tätig. Nach der nationalsozialistischen Machtergreifung 1933 emigrierte er nach Palästina, wo er zunächst für eine Organisation deutscher Einwanderer und später für die Landesbesiedlungsbehörde arbeitete. Ab 1948 war er als Richter tätig, 1952 wurde er Bezirksrichter in Tel Aviv und legte seinen deutschen Namen ab. Als Beisitzer war er einer der drei Richter im Eichmann-Prozess. Er starb 1989 in Tel Aviv.
Josef Reznik wurde während des Zweiten Weltkriegs als Soldat der polnischen Armee von deutschen Truppen gefangengenommen und in das Zwangsarbeiterlager „Lipowa Straße 7“ bei Lublin deportiert. Gemeinsam mit anderen Kriegsgefangenen wurde er im Jahr 1941 zunächst dazu eingeteilt, Baracken für das Vernichtungslager Lublin-Majdanek zu errichten, später zwang die SS ihn dazu, Massengräber zu öffnen und die darin befindlichen Leichen zu verbrennen. Im Februar 1944 flüchtete er mit einigen Mitgefangenen durch einen selbstgegrabenen Tunnel aus dem Lager und versteckte sich bis zur Befreiung durch die sowjetische Armee. Nach dem Krieg lebte Reznik in Tel Aviv. Im Juni 1961 wurde er beim Eichmann-Prozess in Jerusalem als Zeuge vernommen.
S Antonio de Oliveira Salazar wurde 1889 in Vimeiro in Portugal geboren. Er studierte Nationalökonomie und lehrte an der Universität. Nach dem Militärputsch 1926 in Portugal wurde Salazar zum Finanzminister berufen. Nach und nach übernahm er die Leitung der Regierung. 1932 wurde er zum Ministerpräsidenten ernannt und behielt diese Position 36 Jahre – de facto als Diktator. Während seiner Herrschaft führte Portugal eine rigide Kolonialpolitik und geriet in den wirtschaftlichen Ruin. Er starb 1970 in Lissabon.
Willem Sassen wurde 1918 in der niederländischen Gemeinde Geertruidenberg geboren. Während des Zweiten Weltkriegs arbeitete er zunächst als SS-Kriegsberichterstatter in einer Panzertruppe, später bei dem Sender Stimme der SS in Belgien und den Niederlanden. 1944 wurde er Chefredakteur der niederländischen Tageszeitung De Telegraaf. Innerhalb weniger Jahre stieg er zum niederländischen SS-Untersturmführer auf. 1948 floh er über Dublin nach Argentinien. Dort arbeitete er unter anderem als Redakteur der nationalsozialistischen Zeitschrift Der Weg. Für ein gemeinsames Buchprojekt, welches anonym beim Dürer-Verlag in Argentinien veröffentlicht werden sollte, führte Sassen ab 1956 über mehrere Jahre hinweg regelmäßig Interviews mit Eichmann. Einen Großteil der Abschriften des Interviews verkaufte er nach Eichmanns Entführung durch den israelischen Geheimdienst an verschiedene Zeitschriften. Er starb 2001 in Chile.
Peter Schier-Gribowsky wurde 1916 in Czernowitz geboren. Er war als Fernsehjournalist zunächst für den österreichischen Rundfunk tätig, bevor er nach Hamburg wechselte und für den Norddeutschen Rundfunk über den Eichmann-Prozess berichtete sowie unter anderem die Eichmann-Dokumentation Auf den Spuren des Henkers verantwortete. Er starb 1985 in Wedel bei Hamburg.
Karl-Eduard von Schnitzler wurde 1918 in Berlin geboren. Seit seiner Jugend engagierte er sich in sozialistischen Bündnissen. Während des Zweiten Weltkriegs wurde er als Wehrmachtssoldat eingezogen und gelangte 1944 als solcher in britische Kriegsgefangenschaft, wo er in der Deutschlandabteilung der BBC-Rundfunkanstalt Propagandaarbeit für die Briten leistete. Auch nach dem Krieg arbeitete er für den Rundfunk in der britischen Besatzungszone, später für den Nordwestdeutschen Rundfunk. Als ihm dort 1947 der Vertrag gekündigt wurde, ging er in die sowjetische Besatzungszone und arbeitete unter anderem als Kommentator für den Berliner Rundfunk. Ab 1952 leitete er die Kommentatorengruppe des Staatlichen Rundfunkkomitees, später wurde er zum Chefkommentator des DDR-Fernsehens ernannt. Ab 1960 moderierte er im DDR-Fernsehen die Sendung Der schwarze Kanal, die Fernsehausschnitte aus dem Westfernsehen im Sinne der SED-Propaganda kommentierte. Im Rahmen dieser Sendung griff er wiederholt bundesdeutsche Fernsehberichte über den Eichmann-Prozess auf. Er starb 2001 in Zeuthen.
Peter Schultze wurde 1922 in Berlin geboren. Als Rundfunk- und Fernsehjournalist war er 1946 einer der ersten deutschen Mitarbeiter des RIAS (Rundfunk im amerikanischen Sektor). Von 1964 bis 1987 war er stellvertretender Chefredakteur und Leiter der Hauptabteilung Politik des SFB-Fernsehens. 1960 übernahm er die Moderation der Fernsehsendung Rote Optik, die sich kritisch mit der Berichterstattung des DDR-Fernsehens beschäftigte. Für die Sendung vom 18. April 1961 interviewte er Hans Globke über dessen Tätigkeit im Nationalsozialismus. Er starb 2009.
Robert Servatius wurde 1894 in Köln geboren. Er studierte von 1918 bis 1922 Jura in Marburg, München, Berlin sowie Bonn und wurde 1925 promoviert. Bis er im Zweiten Weltkrieg als Offizier diente, arbeitete er als Anwalt. Nach dem Krieg nahm er als Strafverteidiger einiger der angeklagten Nationalsozialisten an den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen teil. Im Eichmann-Prozess fungierte Servatius als Verteidiger Adolf Eichmanns. 1983 starb er in Köln.
Erwin Shimron wurde 1919 als Erwin Schajowicz in Wien geboren, wo er an der juridischen Fakultät studierte, bevor er 1938 aus rassistischen Gründen von der Universität ausgeschlossen wurde. Mit seinen Eltern und seiner Schwester gelang es ihm, ins britische Mandatsgebiet zu emigrieren. Er setzte sein Studium in Jerusalem fort und wurde Rechtsanwalt. Von 1950 bis 1953 leitete er die israelische Staatsanwaltschaft. Im Eichmann-Prozess unterstützte er Generalstaatsanwalt Hausner, indem er im Ausland Zeug*innen der Verteidigung verhörte, die nicht nach Jerusalem reisen wollten, weil der Staat Israel ihnen kein freies Geleit zusichern konnte. Er starb 1978.
Wilhelm Stuckardt wurde 1902 in Wiesbaden geboren. Nach seinen Tätigkeiten als Amtsrichter in Rüdesheim und Wiesbaden trat er 1932 der SA bei und arbeitete unter anderem als Leiter der „Lügenabwehrstelle des Gaues Pommern der NSDAP“. In den 1930er Jahren war er unter anderem als Staatssekretär des Reichsinnenministeriums und als Vorsitzender des „Reichsausschusses zum Schutze des deutschen Blutes“ tätig. Er war beteiligt an der Ausarbeitung der NS-Judengesetzgebung und verfasste 1936 gemeinsam mit Hans Globke den „Kommentar zur deutschen Rassengesetzgebung“. Er war Mitglied der SS und Ehrenvorsitzender der Wiener „Gesellschaft für Rassenhygiene“. 1942 nahm er an der „Wannsee-Konferenz“ teil. Nach dem Krieg wurde er beim „Minister-Prozess“ im April 1949 zu vier Jahren Haft verurteilt, jedoch wegen seiner bereits verbüßten Untersuchungshaft direkt entlassen. Er starb 1953 bei einem Autounfall nahe Hannover.
T Eberhard von Thadden wurde 1909 in Berlin-Charlottenburg geboren. Er war Jurist und arbeitete während der NS-Zeit als „Judenreferent“ im Auswärtigen Amt. Im Eichmann-Prozess wurde er in Düsseldorf als Zeuge verhört. Gegen seine Person wurden mehrere Ermittlungsverfahren angestrengt, die mangels Beweisen fruchtlos blieben. Ein letztes Verfahren wegen Beihilfe zum Mord wurde nach seinem Unfalltod 1964 eingestellt.
V Edmund Veesenmayer wurde 1904 in Bad Kissingen geboren. Während der NS-Zeit war er Diplomat mit Zuständigkeit in Jugoslawien, der Slowakei und Ungarn. Die Deportation der dortigen Jüd*innen zählte zu seinem Tätigkeitsbereich. Veesenmayer wurde nach 1945 wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt, bevor seine Strafe auf zehn Jahre reduziert und er im Dezember 1951 schließlich begnadigt wurde. Im Eichmann-Prozess sagte Veesenmayer als Zeuge der Verteidigung aus. Bis zu seinem Tod 1977 lebte er in Darmstadt.
W Dieter Wechtenbruch wurde 1931 geboren. Als Assistent der Verteidigung Eichmanns verbrachte der westdeutsche Junganwalt die erste Prozesswoche in Jerusalem. Anschließend wurde er nach Deutschland entsandt, um potenzielle Entlastungszeug*innen ausfindig zu machen und zu vernehmen. Seine Bestrebungen scheiterten daran, dass frühere Nationalsozialisten nicht bereit waren, vor einem israelischen Gericht auszusagen, um sich nicht selbst zu belasten. Wechtenbruch kehrte im August 1961 unverrichteter Dinge für die letzte Prozesswoche nach Jerusalem zurück.
Erhard Wetzel wurde 1903 in Stettin geboren. Wetzel arbeitete als „Judenreferent“ im Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete. Als Verfasser des „Gaskammerbriefs“ und Teilnehmer an den Nachfolgekonferenzen der „Wannsee-Konferenz“ war Wetzel in die Durchführung des Holocausts involviert. In der DDR wurde Wetzel zu 25 Jahren Zuchthaus verurteilt, bevor seine Strafe sukzessiv reduziert und er im Dezember 1955 entlassen wurde. Er siedelte in die Bundesrepublik über, wo die deutsche Öffentlichkeit im Zuge des Eichmann-Prozesses auf ihn aufmerksam wurde. Konsequenzen blieben jedoch aus. Er starb im Dezember 1975.
Simon Wiesenthal wurde 1908 in Buczacz in der heutigen Ukraine geboren. In den 1930er Jahren arbeitete er als Architekt in Lemberg. Im Sommer 1941, nach der Besetzung der Stadt durch deutsche Truppen, wurde er verhaftet. Die SS verschleppte Wiesenthal in verschiedene Konzentrationslager, zuletzt ins KZ Mauthausen. Nach dem Krieg begann Wiesenthal damit, Beweise für die Gräueltaten der Nationalsozialisten für die Abteilung für Kriegsverbrechen der US-Armee zu sammeln und vorzubereiten. Seine Ermittlungen trugen dazu bei, dass Adolf Eichmann 1960 in Argentinien aufgegriffen und vor Gericht gestellt werden konnte. Simon Wiesenthal starb 2005 in Wien.
Y Rivka Yosselevska ist Überlebende der Massenerschießung mehrerer hundert Jüd*innen durch die SS am 15. August 1942 im belarussischen Ghetto Zagorodski. Sie wurde verwundet, konnte jedoch aus der Hinrichtungsgrube fliehen und versteckte sich bis zum Eintreffen der sowjetischen Armee im Sommer 1944. Neunzehn Jahre nach ihrer Flucht erzählte sie ihre Geschichte als Zeugin im Eichmann-Prozess.
Z Dietrich Zeug wurde 1930 geboren und war Staatsanwalt. 1959 wurde er vom hessischen Justizministerium zur neu gegründeten „Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen“ nach Ludwigsburg abgeordnet, welche Vorermittlungen zur Aufklärung von NS-Verbrechen führte. Er war als Prozessbeobachter nach Israel gereist, um Informationen für die in der Bundesrepublik laufenden Ermittlungen zu sammeln. Er starb 1997.
Literaturliste
(Auswahl, Stand 6.6.2021)
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Dittmar, Claudia: Feindliches Fernsehen. Das DDR-Fernsehen und seine Strategien im Umgang mit dem westdeutschen Fernsehen, Bielefeld 2010.
De Vita, Lorena: Israelpolitik. German-Israeli Relations. 1949-1969, Manchester 2020.
Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz/Stiftung Topographie des Terrors/Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas (Hg.): Der Prozess – Adolf Eichmann vor Gericht. Facing Justice – Adolf Eichmann on Trial. Katalog zur Ausstellung, Berlin 2011.
Gouri, Haim: Facing the Glass Booth. The Jerusalem Trial of Adolf Eichmann, Detroit 2004.
Große, Christina: Der Eichmann-Prozeß zwischen Recht und Politik, Frankfurt am Main 1995.
Keilbach, Judith: Campaigning Against West Germany. East German Television Coverage of the Eichmann Trial, in: Bönker, Kirsten/Obertreis, Julia/Grampp, Sven (Hg.): Television Beyond and Across the Iron Curtain, Cambridge 2016, S. 25–54.
Keilbach, Judith: Eine Epoche vor Gericht. Der Eichmann-Prozess und das bundesdeutsche Fernsehen, in: Keilbach, Judith/Rásky, Béla/Starek, Jana (Hg.): Völkermord zur Prime-Time. Der Holocaust im Fernsehen, Wien/Hamburg 2019, S. 265–283.
Krause, Peter: Der Eichmann-Prozess in der deutschen Presse, Frankfurt am Main 2002.
Lemke, Michael: Kampagnen gegen Bonn. Die Systemkrise der DDR und die West-Propaganda der SED 1960-1963, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, Jg. 1993, S. 153–174.
Leo, Annette: Eichmann, Globke und die DDR, in: Amadeu Antonio Stiftung (Hg.): „Das hat‘s bei uns nicht gegeben!“. Antisemitismus in der DDR. Buch zur Ausstellung der Amadeu Antonio Stiftung, Berlin 2010, S. 20–30.
Levasier, Marc: „Der Schwarze Kanal“. Entstehung und Entwicklung einer journalistischen Kontersendung des DDR-Fernsehens, in: Wilke, Jürgen (Hg.): Journalisten und Journalismus in der DDR. Berufsorganisation – Westkorrespondenten – „Der schwarze Kanal“, Köln/Weimar/Wien 2007, S. 217–313.
Lindeperg, Sylvie/Wieviorka, Annette: The Two Stages of the Eichmann Trial, in: Pollock, Griselda/Silverman, Max (Hg.): Concentrationary Memories. Totalitarian Terror and Cultural Resistance, New York 2013, S. 59–81.
Lindeperg, Sylvie/Wieviorka, Annette (Hg.): Le moment Eichmann, Paris 2016.
Lipstadt, Deborah E.: The Eichmann Trial, New York 2011.
Nähle, Kirsten: „Der schwarze Kanal“. Ein politisches Magazin des DDR-Fernsehens, Marburg 2005.
Osterloh, Jörg/Vollnhals, Clemens (Hg.): NS-Prozesse und die deutsche Öffentlichkeit. Besatzungszeit, frühe Bundesrepublik und DDR, Göttingen 2011.
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Segev, Tom: The Seventh Million. The Israelis and the Holocaust, New York 2000.
Stangneth, Bettina: Eichmann vor Jerusalem. Das unbehelligte Leben eines Massenmörders, Hamburg 2011.
Steinle, Matthias: Vom Feindbild zum Fremdbild. Die gegenseitige Darstellung von BRD und DDR im Dokumentarfilm, Konstanz 2003.
Verheyen, Nina: Diskussionslust. Eine Kulturgeschichte des „besseren Arguments“ in Westdeutschland, Göttingen 2010.
Von Hodenberg, Christina: Konsens und Krise. Eine Geschichte der westdeutschen Medienöffentlichkeit 1945-1973, Göttingen 2006.
Weingardt, Markus A.: Deutsche Israel- und Nahostpolitik. Die Geschichte einer Gratwanderung seit 1949, Frankfurt am Main/New York 2002.
Weinke, Annette: Die Verfolgung von NS-Tätern im geteilten Deutschland. Vergangenheitsbewältigungen 1949-1969. Oder eine deutsch-deutsche Beziehungsgeschichte im Kalten Krieg, Paderborn u.a. 2002.
Wilke, Jürgen/Schenk, Birgit/Cohen, Akiba A./Zemach, Tamar: Holocaust und NS-Prozesse. Die Presseberichterstattung in Israel und Deutschland zwischen Aneignung und Abwehr, Köln 1995.
Wojak, Irmtrud: Eichmanns Memoiren. Ein kritischer Essay, Frankfurt am Main 2004.
Danksagung
Wir danken Sönke Treu (Norddeutscher Rundfunk Hamburg), Martina Seidel und Dr. Jörg-Uwe Fischer (Deutsches Rundfunkarchiv, Stiftung von ARD und Deutschlandradio, Potsdam-Babelsberg), Christine Scherrer und Sophie Großheider (Studio Hamburg), Dr. Hans-Ulrich Wagner (Leibniz-Institut für Medienforschung | Hans-Bredow-Institut, Hamburg) und Werner Renz für die Unterstützung bei der Recherche und Beschaffung des Archivmaterials.
Impressum
Herausgeberinnen: Judith Keilbach, Irmgard Zündorf
Bearbeiterinnen: Tabea Georges, Vivien Gidde, Linda Graul, Anna Kokenge
Design: Christin Albert, www.calbert.de
Verlag: absolut Medien, Am Hasenbergl 12, 83413 Fridolfing
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